Elbphilharmonie oder Pooca Bar? Zwei Hamburger Musikorte

In den vergangenen Tagen habe ich zwei sehr verschiedene Hamburger Musikorte besucht. Elbphilharmonie und Pooca Bar. Konzertsaal der Superlative und Club im Kleinstformat. Hafencity und Kiez. Ich liebe es, mich in dieser Stadt in solch unterschiedliche Atmosphären und Klangwelten begeben zu können.

In der Elbphilharmonie ist alles glatt, poliert, geschliffen. Ich sitze im Großen Saal an einer der Brüstungen und streiche mit meinen Händen über das matte Holz, das sich warm und geschmeidig anfühlt. In der Pooca Bar auf St. Pauli scheint der Laden hingegen durch Aufkleber zusammengehalten zu werden. Schicht um Schicht ummantelt das Mischpult. Alles ist uneben. Alles atmet Rauch, Schweiß, Geschichten.

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Nils Wogram und die NDR Bigband in der Elbphilharmonie

Ich muss an den Satz denken, den der kubanische Pianist Omar Sosa in der Elbphilharmonie gesagt hat. Er spielt dort zum 60. Jubiläum der renommierten Reihe NDR Jazzkonzerte. Ebenso wie Posaunist Nils Wogram, die NDR Bigband und Joshua Redman. Sosa, eine Art Schamane des Jazz und eine unglaublich charismatische Persönlichkeit, erklärt sinngemäß: Alle Menschen, die an einem Ort zusammenkommen, um Musik zu machen und zu hören, erzeugen eine bestimmte Energie. Und der Raum speichert diese ganz besondere Kraft ein ums andere Mal.

Elbphilharmonie und Pooca Bar, Omar Sosa und The Courettes

Mir gefällt der Gedanke sehr gut, dass an einer Spielstätte alle dort bereits stattgefundenen Konzerte nachhallen und -schwingen. Und diese Idee eint Kleinstkaschemme und Luxusarchitektur. Die Musik ist und bleibt das, was zählt.

The Courettes, Pooca Bar, St. Pauli, Garage, Sixties, Rock 'n' Roll, concert, live, Club, crowd, sign, red, light Samstag in der Pooca Bar: Das dänisch-brasilianische Duo The Courettes explodiert mit seinem Garage- und Sixties-Songs. Und der Sound hallt so verzerrt durch alte Mikros und Verstärker, dass ein raues Tosen durch die dicht gedrängte Menge fährt. Donnerstag in der Elbphilharmonie: Omar Sosa und seine beiden Mitmusiker laden afro-kubanische Mystik mit Tanz und Liebe auf. Die Instrumente von der Geige bis zur Trommel erklingen so exakt und detailliert, als ließen sich die einzelnen Töne von einem imaginären Baum pflücken.

Ein feiner Wechsel der emotionalen Zustände

Bei den Courettes spielt Sängerin Flavia Couri ihre Gitarre dermaßen krachend, dass die Akkorde von den Füßen aus den Körper durchdringen und bis unter meine Schädeldecke knallen. Ihr Mann Martin schickt unterdessen vom Schlagzeug aus akustisch Pfeil um Pfeil durch unsere Herzen. Yilian Canizares wiederum, Sängerin und Geigerin bei Omar Sosa, singt dermaßen intensiv, als steige ihre Stimme aus einer tiefen Trance auf. Kurz darauf verbreitet der Gesang der Kubanerin leichte warme Lebensfreude. Ein feiner Wechsel der emotionalen Zustände.

The Courettes, Pooca Bar, St. Pauli, Garage, Sixties, Rock 'n' Roll, concert, live, Club, crowd, merchandise In der Pooca Bar stößt sich Flavia mit den feiernden Fans in der ersten Reihe fast den Kopf, so nah sind sich Band und Publikum. In der Elbphilharmonie ist der Abstand durch die Sitzreihen stets gegeben.

Musiker zum Anfassen nah oder kontemplatives Zuhören. Ekstatisches Miteinander im Rock ’n‘ Roll oder sitzende Mitwippvertiefung im Jazz. Für mich ist das eine nicht besser oder schlechter als das andere. Aus beiden Abenden nehme ich viel Energie mit. Und der Applaus als Ehrbekundung für die Künstler ist universell.

Subvention oder alleine klarkommen?

Der große Unterschied ist das Zustandekommen der jeweiligen Konzerte in Elbphilharmonie und Pooca Bar. Für beide Veranstaltungen sind Tickets für ungefähr 15 Euro zu haben. Wie kann das sein?

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Omar Sosa, Yilian Canizares und Gustavo Ovalles (v.l.) in der Elbphilharmonie

Das Elbphilharmonie-Konzert ist hoch subventioniert, während die Pooca Bar weitestgehend privatwirtschaftlich alleine klarkommen muss. Zwar hilft eine Initiative wie die Clubstiftung Hamburg. Aber das ist vom finanziellen Wums her natürlich nicht vergleichbar mit städtischen oder öffentlich-rechtlichen Geldern.

Aufkleberwand für Mäzene

Mir ist gar nicht daran gelegen, das eine gegen das andere aufzurechnen. Mir geht es um die Vielfalt in der Musikstadt Hamburg. Und in der Pooca Bar treten eben nicht nur in der Szene bekanntere Acts wie The Courettes auf, die bereits ihr eigenes Publikum ziehen. Der sympathisch plüschige Laden auf dem Hamburger Berg dient vor allem auch als Bühne für noch unbekannte lokale Bands, die dort die Chance für erste Shows erhalten.

In der Elbphilharmonie sind auf den Foyerstufen Plaketten montiert – mit den Namen jener Menschen, die dem Konzertsaal mindestens 10.000 Euro gespendet haben. Wäre es nicht fantastisch, die gut Betuchten dieser Stadt würden es als ebenso attraktiv ansehen, sich in der Pooca Bar zu verewigen, nachdem sie großzügig Geld gegeben haben?

Ich denke da zum Beispiel an eine Ehrenaufkleberwand für Mäzene. Das würde den Laden auf mehr als einer Ebene zusammenhalten. Und was ebenfalls gewährleistet wäre: positive Energie.

The Courettes sind beheimatet bei der Hamburger Plattenfirma Sounds Of Subterrania.

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