„A lover to slow you down“. Von einem Liebhaber, der die Geschwindigkeit aus dem eigenen Leben nimmt, erzählen Calexico und Iron & Wine bei ihrem Konzert im Hamburger Stadtpark. Und der Lover ist an diesem Abend definitiv die Musik. Mit „Years To Burn“ haben die beiden Bands zum zweiten Mal ein Kooperationsalbum veröffentlicht, dass die Seele entschleunigt. Fein schattierter Folkpop und Country, der sanft den grünen Hügel emporweht.
Die Blätter der alten Bäume rascheln hoch oben zum mehrstimmigen Gesang. Der Sound ist nah und der Himmel weit. Die Musik lässt den Kopf zur Ruhe kommen, so dass sich das Herz öffnet für Neues. „A night to be born“ — dieser Vers aus dem Titelstück „Years To Burn“ verdichtet das Gefühl schon äußerst gut. Musik, die kurz die Zeit aufzuheben scheint. Die dankbar macht. Für die Verbundenheit im Leben, die die Musik immer wieder herstellt.
Calexico und Iron & Wine, eine nicht krampfhaft forcierte Freundschaft
Ich schaue auf die Freunde, die auf der Wiese um mich herumstehen. Manche kenne ich seit Jahrzehnten, andere noch nicht ganz so lange, einige lernen sich an diesem Abend erst kennen. Alle holen einander Getränke, reden kurz kreuz und quer, lauschen dann wieder lange versonnen ohne zu sprechen der Band. Einzelne wechseln zwischendurch die Perspektive, flanieren durch die bunt gemischte Freiluftmenge und erkunden den neu gestalteten Gastrobereich, um dann irgendwann zur Gruppe zurückzukehren. Eine vertraute Leichtigkeit.
Womöglich fällt mir diese entspannte zwischenmenschliche Chemie an diesem Abend besonders auf, weil sich das Wirken auf der Bühne so organisch anfühlt. Da spielen nicht einfach zwei Bands zufällig aus Coolness-Gründen zusammen. Da ist eine über Jahre gewachsene, aber auch nicht krampfhaft forcierte Freundschaft zu hören. 2005 erschien die erste gemeinsame EP von Calexico und Iron & Wine: „In The Reins“. Seitdem verfolgten beide Gruppen ihre Wege, bis diese Jahre später wieder zusammenliefen.
Joey Burns und Sam Bean im Song-Ping-Pong
Eine zwanglose Liaison, die wohl erheblich beiträgt zur trockenhumorigen Lässigkeit, die die Musiker in ihren Ansagen transportieren. Als das Konzert um kurz vor acht beginnt, wird das Publikum erst einmal mit „good afternoon“ begrüßt. Es sei schon merkwürdig, so mitten am Tag aufzutreten, wenn es noch hell sei. Nun gut, andere nennen das einfach: Sommer.
Malerisch hingetupfte Country-Nummern wie „Father Mountain“ wechseln sich an diesem Abend ab mit jazzigen Improvisationen, bei denen sich vor allem Sebastian Steinberg am Kontrabass famos zupfend und trommelnd auslebt. Viel gut dosierte Dynamik erzeugen auch Schlagzeuger John Convertino sowie Rob Burger, der sich vom Keyboard zum Akkordeon und zurück bewegt. Mal rückt — unterstützt von Trompeter Jacob Valenzuela — der Mariachi-Calexico-Anteil in den Vordergrund. Doch vor allem als die beiden Masterminds der Bands eine Weile alleine an der Rampe agieren, schimmert verstärkt der leisetretende Sound von Iron & Wine durch.
Im munteren Ping-Pong haben Calexicos Joey Burns sowie Sam Bean (Iron & Wine) Songs des jeweils anderen ausgesucht, die ihnen besonders gut gefallen. Gegen Ende spielen sie mit der gesamten Band weitere gemeinsame Nummern, etwa „In Your Own Time“ mit der schönen Zeile „Someone will catch you if you want to fall“. Alles im eigenen Tempo machen. Und dann aufgefangen werden, wenn ich fallen möchte. Von der Musik. Von Freunden. Das ist schon ziemlich toll.
PS: Einen schönen Eindruck von der Kollaboration zwischen Calexico und Iron & Wine vermittelt das aktuelle Tiny Desk Concerts.
Und: Für das Magazin Visions habe ich eine Plattenkritik zu „Years To Burn“ geschrieben.