Drei Jahre Biggy Pop Blog — Ode an das Netzwerk

Happy — belated — birthday to my blog. Tatsächlich ist mir Anfang August der dritte Geburtstag meiner kleinen popkulturellen Chronik durchgerutscht. Warum? Broterwerb. Erschöpfung. Ein paar Tage wegfahren wollen. Zudem: Sommer. Das erwachende Kulturleben. Draußen sein. Als ich nun also überlegt habe, was im vergangenen Jahr alles passiert ist und was diese Zeit für mich besonders geprägt hat, kam mir ein Wort in den Sinn: Netzwerk. Dabei meine ich weniger die Menschen, wie sie sich auf Stock-Fotos adrett gekleidet bei Häppchen um einen Stehtisch versammeln und sich extra strategisch anlächeln. Vielmehr denke ich an all die feinen Fäden und robusten Seilschaften, die sich durch die Musikszene ziehen.

Für mich geht es um Herzensverbindungen, die sich durch Kunst und Kultur entwickeln. Ob nun beruflich oder privat. Mich hat dieses Gefühl des Zusammenhalts auf ganz unterschiedlichen Ebenen enorm durch die Pandemie getragen, vor allem im langen Winter-Lockdown. Und ich bin immer wieder zutiefst beeindruckt, was in Hamburg und weit darüber hinaus entsteht — durch beherztes Miteinander und die Liebe zur Musik.

Welche Fäden sehen wir im Leben? Welche greifen wir auf und spinnen sie weiter? Und welche lassen wir wieder los? Ich möchte in diesem Blogpost von einigen Verbindungen  des vergangenen Jahres erzählen, die exemplarisch dafür stehen, wie sich eins ums andere fügen kann. Verbindungen, für die ich enorm dankbar bin. Gerade im Hustle der Selbständigkeit als Journalistin und Texterin. 

Für mehr Gendergerechtigkeit in der Musikbranche

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Alin Coen, fotografiert von Dan Hirsch.

Im Sommer 2020 habe ich eine sogenannte Bio zum neuen Album „Nah“ der Musikerin Alin Coen geschrieben. Alin produziert nicht nur unfassbar kluge und empfindsame Songs, die unsere Seelen aufs Schönste durchlässig machen. Sie setzt sich auch äußerst couragiert für mehr Gendergerechtigkeit in der Musikbranche ein. So zum Beispiel mit einem eindringlichen Gastbeitrag im Vice Magazin. Ich habe Alin als Persönlichkeit kennengelernt, bei der zum Herz auch das Handeln gehört. Und so hat sie sich Anfang des Jahres mit dem Hamburger Kulturaktivisten Sebastian Madej zusammengetan, um ein Format zu entwickeln, das unbekannteren und vor allem weiblichen Acts eine Plattform bieten soll. Das Ergebnis dieses gemeinsamen Prozesses: das Knust Guesthouse.

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Fama M’Boub vom Duo Olicia beim Talk im Knust Guesthouse, fotografiert von Sebastian Madej.

Sechs Ausgaben sind bisher von dieser Konzertreihe über die Bühne gegangen. Drei Mal lief das Knust Guesthouse im reinen Stream, drei Mal als hybride Veranstaltung mit realem Publikum auf dem Hamburger Lattenplatz. Ich bin sehr glücklich, dass Sebastian, Alin und Knust-Booker Tim Peterding mich als Moderatorin für dieses besondere Projekt mit ins Boot geholt haben. Denn das Konzept ist Netzwerk galore. Ein etablierterer Host präsentiert drei unbekanntere Acts. Alle treten live auf. Und zwischen den Kurzkonzerten wird geredet. Um die Künstlerinnen und Künstler kennenzulernen. Um Verbindungen herzustellen.  

Der Start des Knust Guesthouse — zwischen Aufbruch und Unsicherheit

Ich erinnere mich an die erste Ausgabe Anfang März mit Alin als Host. An meine latente Überforderung, nach dem langen Winter-Lockdown auf mehr als zwei Menschen gleichzeitig zu treffen. Die Impfung lag noch Monate in der Ferne. Auch das regelmäßige Testen war noch nicht installiert. Und so arbeiteten wir während dieser Pandemie-gerechten Produktion mit Masken auf Abstand umeinander herum. Eine Mischung aus Aufbruch und Unsicherheit. Ich erinnere mich an Antje Schomaker als Host des zweiten Knust Guesthouse im April, die emotional spürbar mitgenommen war — vor lauter Freude, wieder auf einer Bühne mit Wumms Musik machen zu können. Und ich erinnere mich an das Knust Guesthouse Anfang Juni. Das erste Mal mit Publikum open air vor Ort. In Gesichter schauen können. Sich zuprosten.  Reaktionen. Lacher. Applaus. Ein Wechselspiel der Energie. Ein gutes Netzwerk, für ein paar Stunden. Und hoffentlich mit positivem Nachhall darüber hinaus.

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Enno Bunger beim Knust Guesthouse auf dem Lattenplatz in Hamburg, fotografiert von Sebastian Madej.

Ich bin äußerst beeindruckt, wie das Knust mit seinem Team seitdem zum Teil fast täglich Konzerte anbietet. Um die Kulturversorgung aufrecht zu erhalten. Um Verbindungen zu schaffen. Und dass, obwohl die Kapazitäten Corona-bedingt nach wie vor reduziert sind. Obwohl viel Fachpersonal von der Technik bis zur Gastro in krisensicherere Berufe gewechselt ist. Und obwohl die Menschen erst zaghaft ins Kulturleben zurückkehren. 

Konzertglücksmomente und immer wieder: „Stell die Verbindung her“

Ich kann nur empfehlen: Geht in Läden wie das Molotow mit all seinen Backyard-Shows, dessen Türsteher übrigens mit Engelsgeduld die beste Hygienemaßnahmen-Ansprache der Stadt hält. Unterstützt mit Eurer Anwesenheit das Schroedingers im Schanzenpark, wo vielfältige Kultur auf soziales Engagement trifft. Und besucht die Konzerte von Draussen im Grünen, die mit vielen Beschäftigten aus der Hamburger Veranstaltungsbranche den Musikpavillon in Planten un Blomen popkulturell belebt haben. 

Und wer sehen möchte, welch feine und beglückende Bande zwischen Musikerinnen, Musikern und Publikum bei Live-Auftritten entstehen, der schaue sich die Fotos von Sebastian Madej an. Höchst engagiert ist er mit seiner Kamera unterwegs, um kleine und große Hamburger Konzertmomente festzuhalten. Ein Netzwerk im Bild. Den Soundtrack dazu sowie erhellende Interviews liefert wiederum die wundervolle Susanne Hasenjäger mit ihrer äußerst seelenvollen Sendung „Hamburg Sounds“ auf NDR 90,3. Sie ist für mich in dieser Stadt die Pop-Herz-Königin in Sachen „Stell die Verbindung her“.

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Immer donnerstags bei NDR 90,3 on air: Susanne Hasenjäger mit ihrer Sendung „Hamburg Sounds“, fotografiert von Regina Kramer.

Von der Achtsamkeit im guten wilden Leben

Natürlich ist aber nicht alles nur harmonisch, rosarot und Bullerbü. Es gibt nach wie vor reichlich Konflikte. Menschen sind müde, haben Existenzängste, fallen durchs Netz. Werden nicht gesehen. Und immer wieder kommt mir dann der Song „Kaputt & kein Hunger“ von August August in den Sinn. Aber mich stimmt es positiv, dass die Zeichen auch auf Achtsamkeit stehen. Dass die Initiative Musik bei ihrem Spielstättenpreis Applaus zum Beispiel erstmals Auszeichnungen für Awareness vergeben hat. Dass fürsorgliche Netzwerke entstehen. Viele Menschen reflektieren, diskutieren und streiten für ein besseres Miteinander. So wie ganz aktuell etwa das Clubkombinat Hamburg, Veranstaltungsagenturen und Clubbetreibende über die Öffnungsszenarien zwischen 2G und 3G. 

Wir befinden uns — erneut — im Transit. Welches gemeinsame Kulturerleben möchten wir in Zukunft gestalten? Nicht nur in den kommenden, weiterhin kritischen Monaten der Pandemie, sondern auch in den nächsten Jahren. Gibt es Lerneffekte aus der Corona-Zeit? Welche Verbindungen gehen wir ein? Begegnen wir uns untereinander aufmerksamer? Und lässt sich dieser Anspruch verbinden mit der Sehnsucht nach Entgrenzung, nach dem guten wilden Leben? Für mich lassen sich diese Fragen nicht alleine beantworten. Denn: Netzwerke haben keineswegs nur strategischen Nutzen. Netzwerke fangen auch auf. Sie inspirieren und befördern Antworten. 

Netzwerk, aber wie? Burst your bubble and the rest will follow

Und dann sind da ja auch noch die professionell Netzwerkenden wie der Hamburger Verein RockCity Hamburg, der sich für die Belange von Musikerinnen und Musikern einsetzt. Deren regelmäßiger Newsletter informiert äußerst anregend und schlüssig über Fördermaßnahmen Branchengeschehen. Neben der Musikwoche ein absolutes Must-Read für mich. Über ein Rundschreiben von RockCity bin ich auch auf Stefanie Kim von der Berliner Agentur KIMKOM aufmerksam geworden. Stefanie ist mit ihrer Firma spezialisiert auf Kommunikation, Marketingstrategien und Management in Musikindustrie, Mode, Beauty und Digitalbranche. Für meine Radiosendung Nachtclub Überpop auf NDR Blue habe ich mit ihr über Stop Asian Hate geredet. Und mich hat zutiefst beeindruckt, wie differenziert und passioniert sie über das Thema gesprochen hat — von persönlichen Erfahrungen bis zu gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen. Und das, obwohl sie während unserer Distanz-Aufzeichnung unter Pandemie-Bedingungen in ihrer Berliner Wohnung in einem improvisierten Studio aus Bettlaken unter einem Wäscheständer saß (Hut ab für diese Konstruktion!).

Stefanie ist zudem Initiatorin und Autorin einer Kolumne für Diversität und Inklusion in Kooperation mit der Musikwoche. Die Popbranche, die sich gerne als weltoffen inszeniert — wie vielfältig ist sie wirklich? Ich finde es extrem spannend, dass Stefanie blinde Flecken aufzeigt und zugleich Business-Role-Models wie Dominique Casimir von BMG vorstellt. Denn so bereichernd Netzwerken auch ist, es darf keine geschlossene Gesellschaft sein. Es geht darum, immer neue Fäden zu spinnen. Burst your bubble. And the rest will follow.

Screenshot, Diversity & Inklusion, Kolumne, Stefanie Kim, KIMKOM, Agentur, Berlin

 

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