In Kooperation mit ESNS Exchange // Die Popkultur, sie schreibt sich immer weiter fort. Und ich liebe es, wie Jahr um Jahr neue Bands entstehen, die innovative Sounds entwickeln. Womöglich lassen sie sich dabei von alter Musik inspirieren, drehen dann aber unbedingt ihr eigenes Ding daraus. So hört das Entdecken, das Brennen und Verbinden nie auf. Ein Festival, das sich von Anfang an stark der Nachwuchsförderung verschrieben hat, ist das Eurosonic Noorderslag, kurz ESNS. Seit 1986 sind da in Groningen jeweils im Januar spannende Newcomer*innen zu erleben. Feinsinnig, lautstark, skurril, expressiv.
Das erste Mal begegnete mir eine feine Auswahl der Eurosonic-Talente allerdings nicht vor Ort in den Niederlanden, sondern um die Ecke im Hamburger Molotow. Unter dem Motto „Mucke bei die Fische“ präsentierte der Veranstalter FKP Scorpio erstmals 2017 in einem Showcase-Festival diverse Acts, die kurz zuvor beim Eurosonic Noorderslag aufgetreten waren. Mittlerweile ist daraus eine eigene Nachwuchsreihe entstanden, die — wie so vieles — allerdings durch Corona ausgebremst wurde. Ich erinnere mich zum Beispiel an die britische Singersongwriterin Jade Bird. Mit ihrer Akustikgitarre, ihrer äußerst eindringlichen Stimme und ihrem unverstellten Charisma verzückte sie die Menge im Molotow. Eine große Liebe zum Country ist bei ihr ebenso herauszuhören wie eine Leidenschaft für Indie und Pop.
Das European Talent Exchange Programme heißt nun ESNS Exchange
Jade Bird trat nach dem Eurosonic auf zahlreichen renommierten Festivals auf — wie dem Haldern Pop, dem Icelandic Airwaves, dem niederländischen Lowlands Festival, dem Montreux Jazz Festival, dem Pohoda Festival in der Slowakei und dem belgischen Rock Werchter. Dass eine Newcomerin direkt eine solch publikumswirksame Tour spielen kann, ist auch Resultat gezielter Förderung. Das European Talent Exchange Programme (ETEP), das sich nun kompakt und griffig in ESNS Exchange umbenannt hat, bringt seit 2003 europäische Popkünstler*innen auf den Weg. Konkret heißt das: ESNS Exchange sorgt dafür, dass europäische Acts auf Festivals außerhalb ihrer jeweiligen Heimatländer gebucht werden und so neue Fans gewinnen können.
Im Laufe der Jahre hat das ESNS Exchange eine beeindruckende Fülle an außergewöhnlichen Talenten mit seinem Austauschprogramm unterstützt. Das zeigt allein ein Blick auf die Acts, die 2021 am meisten über ESNS Exchange gebucht und promotet wurden. Darunter befindet sich zum Beispiel die belarussische Formation Molchat Doma mit ihrer intensiven Mischung aus Synth-Pop und Post-Punk. Annekatrin Schulz schildert auf ihrem Blog abgefreakt sehr schön und eindrücklich, wie das Trio aus Minsk sie beim Immergut Festival absolut eingenommen und überwältigt hat. Zu den populärsten ESNS Exchange-Acts 2021 zählt ebenfalls Altın Gün. Das niederländische Kollektiv hat mich bereits auf dem Reeperbahn Festival 2018 mit seinem psychedelischen und hoch rhythmischen Funk und Rock an Gitarre, Keyboard und Saz beeindruckt.
Von Alice Merton bis zu Alyona Alyona: Popkarrieren quer durch Europa
ESNS Exchange steht eindeutig für Diversität. Bei der Gründung des Programms vor fast 20 Jahren prägte das anglo-amerikanische Repertoire den professionellen Musikvertrieb und die Promotion von Pop sehr stark. ESNS Exchange setzte es sich daher zum Ziel, die Vielfalt europäischer Popmusik international wirksamer zu verbreiten. Seit 2003 wurden mehr als 4000 Auftritte von rund 1500 europäischen Künstler*innen vermittelt. Der New Musical Express hat neulich aufgeschrieben, wie sich einige dieser Karrieren seit der Teilnahme bei ESNS Exchange entwickelt haben. Etwa bei Aurora, Idles oder Squid.
Die Kooperationen des Programms funktionieren nicht nur auf kultureller Ebene, sondern auch auf geschäftlicher und medialer. In Zusammenarbeit mit der European Broadcasting Union (EBU), Exportbüros sowie lokalen Medien erstellt ESNS Exchange eine umfassende Medienpräsenz für seine Künstler*innen. Auch auf meinem Blog habe ich im Laufe der Jahre bereits über diverse Acts geschrieben, die zum Roster von ESNS Exchange gehören. Die belgische Hip-Hop-Künstlerin Blu Samu zum Beispiel lernte ich während meines Arbeitswohnprojekts 2019 in Brüssel kennen. Im dortigen Konzertsaal Botanique sah ich wiederum Sängerin Alice Merton. Und der ukrainischen Rapperin Alyona Alyona (siehe Titelbild) begegnete ich beim Reeperbahn Festival, wo sie den Anchor Award gewann.
Eurosonic Noorderslag im Januar 2022 als Digitalausgabe
Auch das Eurosonic Noorderslag sowie ESNS Exchange müssen sich natürlich an die andauernde Corona-Pandemie anpassen. Das Festival und die angegliederte Konferenz finden in Groningen vom 19. bis 22. Januar erneut rein online statt. Die Opening Keynote wird Frans Timmermans halten, seines Zeichens geschäftsführender Vizepräsident der Europäischen Kommission. Unter anderem spricht er darüber, wie die Musikbranche sich nachhaltiger aufstellen kann.
Bei der bei der Digitalausgabe des Eurosonic ist auch das Hamburger Dream-Pop-Quartett Scotch & Water unter den zahlreichen gebuchten Bands mit dabei. Gerade erst 2021 haben sie ihr Debütalbum „Sirens“ bei Devil Duck Records herausgebracht. Die Popgeschichte, sie schreibt sich immer weiter fort.