K-Pop und Fankultur: Konzert der Girlgroup IVE in Berlin

Seit längerer Zeit beschäftige ich mich K-Pop, also mit koreanischer Popkultur. Die Musik an sich, die Nutzung des digitalen Raums, Vertrieb, Storytelling, Produkt-Ideen und vor allem die Kommunikation mit den Fans sind so ausgefeilt, dass sich daraus einfach viel lernen lässt für die Musikbranche. Die K-Welle schlägt nicht nur gastronomisch vor allem in hiesigen Großstädten gerade voll durch. Immer mehr koreanische Acts werden von Clubs bis zu großen Hallen gebucht. Nachdem ich von dem Konzert der K-Indierock-Band The Rose im März in der Sporthalle schon schwer begeistert war, wollte ich unbedingt bald eine richtig große K-Pop-Show sehen. Also kaufte ich mir für 115 Euro im Resale eines der (noch günstigeren) Tickets für die südkoreanische Girlgroup IVE (gesprochen wie das englische „I’ve“). Ich bin ein riesiger Fan von Fankultur. Und bereits vor dem Konzert in der Uber Arena in Berlin war die Euphorie überdeutlich zu spüren.

Der K-Idol-Store in der benachbarten East Side Mall wurde ebenso belagert wie der dortige Bubbletea-Shop. Und zwischen den Wasserfontänen vor der Uber Arena posierten die Fans für Selfies oder tanzten für ihre Reels und Stories die Choreografien von IVE nach. Das Sextett hat sich 2021 gegründet und gehört zur vierten K-Pop-Generation. Bei den Kolleg*innen von Laut lässt sich die Geschichte der Gruppe gut und kompakt nachlesen. Das Konzert in Berlin war Teil ihrer ersten Welt-Tournee „Show What I Have“.

IVE in Berlin: aufgeregte und geradezu liebevolle Energie

Das Ambiente in der Arena habe ich als etwas sortierter wahrgenommen als etwa im Vergleich zum Harry-Styles-Konzert im Hamburger Stadion. Was bestimmt unter anderem daran lag, dass der Innenraum ebenfalls bestuhlt war. Allerdings wurde so natürlich auch vorgebeugt, dass junge Fans im Gedränge kollabieren. Die Atmosphäre war aber insgesamt von einer aufgeregten und geradezu liebevollen Energie aufgeladen. Gerade in der jetzigen Zeit berührt es mich besonders, wenn ganz verschiedene und vornehmlich junge Menschen friedlich und passioniert zusammenkommen. Mädchen mit Kopftuch waren da ebenso zu sehen wie Jungs mit Make-up. Alle da. Alles schön.

Vor mir saß ein Mädchen, die während des Konzerts ausdauernd ihren IVE-Lightstick (siehe Titelfoto) schwang, während ihr Vater neben ihr geduldig und mit ruhiger Hand das Insta-Live filmte. Und neben mir hockte ein Mädchen, das ein wenig an Avril Lavigne mit Locken und Brille erinnerte. Sie schrie regelmäßig aus voller Seele. Natürlich besonders zu Beginn des Konzerts. Und die emotionale Wucht, die sich zum Auftakt in der Arena entlud, trieb sogar mir einige Tränen in die Augen. Einfach, weil es so toll ist, derart kollektiv das Leben zu spüren.

IVE, Girlgroup, Konzert, Uber Arena, Berlin, K-Pop, Korea, Pop, Musik
Die Bühne in der Uber Arena in Berlin kurz vor dem Start des Konzerts von IVE

Yujin, Gaeul, Rei, Wonyoung, Liz und Leeseo als weibliche Role Models

Das Konzert von IVE in Berlin begann mit dem Song „I Am“, der mir mit seinem theatralen Pop-Appeal super gefällt. Neben Videoleinwänden sowie ab und an einigen zusätzlichen Tänzerinnen fokussierte sich das Konzert für gut 2 1/2 Stunden auf die sechs Künstlerinnen. Ein guter Fokus. Denn Singen, Rappen, Tanzen und bis hinein in das kleinste Augenzwinkern auf den Punkt zu performen, ist ja nun wirklich Show genug. Sehr spannend fand ich die Struktur des Auftritts in vier Akten. Die Outfits wandelten sich dabei von weiß und verspielt bis hin zu schwarz und „bad ass“. Vom Stil her sehr feminin mit Miniröcken, rosigen Wangen und Glitzeraufklebern um die Augen. Kurz gab es eine Passage im Baggy-Look, der für meinen Geschmack gerne noch stärker hätte präsent sein dürfen. Doch die Stärke lag definitiv in der Präsenz und Dynamik der sechs Frauen.

Dass das Publikum da so heftig weibliche Role Models bejubelt, macht mich schlichtweg glücklich. Und mit einigen Cover-Versionen, unter anderem von Spice Girls’ „Wannabe“, wird auch den internationalen Wegbereiterinnen Tribut gezollt. Schön und ungewöhnlich sind auch die ausführlichen Passagen, in denen Yujin, Gaeul, Rei, Wonyoung, Liz und Leeseo sich einzeln vorstellten, über die Songs sprachen und sich bei ihrer Fan-Community DIVE bedankten. Das alles simultan von einer Stimme aus dem Off ins Deutsche übersetzt. Wie sehr K-Pop hierzulande bereits angekommen ist, zeigte auch ein Abschnitt, bei dem einzelne aus dem Publikum mit einer Fan-Cam eingefangen wurden. Im Freestyle sollten sie zu verschiedenen Songs von IVE eine Choreo hinlegen. Und wie akzentuiert, detailreich und leidenschaftlich da getanzt wurde, war wirklich beeindruckend. Ein guter Vibe.

Finale mit Herz-Gesten, Verbeugungen und lautstarkem Kreischen

Musikalisch am energetischsten waren Hits wie „Accendio“, „Kitsch“ und „Baddie“. Und „After Like“ holt mit seinem „I Will Survive“-Sample nicht nur Gloria-Gaynor-Fans ab, sondern auch jene aus Robbie Williams‘ „Love Surpreme“-Phase. Smart. Mit dem impulsiven Icona-Pop-Cover „All Night“, vielen Herz-Gesten, Verbeugungen und lautstarkem Kreischen der Fans endete diese Show. Und auch der garstige Regen, der draußen in Berlin eingesetzt hatte, konnte das Glühen der Fans im Anschluss kaum eindämmen.

Biggy Pop on Instagram 

Biggy Pop on Facebook

Follow my blog with Bloglovin