K-Pop und Fankultur in Seoul: Happy Jimin Day

Ich bin absolut begeistert, wie präsent Pop- und Fankultur im täglichen Leben in Seoul ist. Also wie sehr sich Menschen in Korea miteinander verbinden über Musik, populäre Künstler*innen und deren Storytelling. Das Land hat sich in den vergangenen Jahrzehnten rasant entwickelt. Und vor allem Popmusik sowie Beauty sind zu einer innovativen Soft- und Superpower geworden. Zu einem globalen Distinktionsmerkmal, das Korea zu einem Sehnsuchtsort für internationales Publikum macht. K-Pop-Stars mögen zwar wie Halbgötter verehrt werden. In ihren Social-Media-Posts und Live-Streamings zeigen sie sich jedoch häufig nahbar. Sie besuchen koreanische Lokale und shoppen in angesagten Vierteln. Sie gehen wie alle am Hangang-Fluss spazieren oder hiken in den Hügeln rund um Seoul. Dadurch verzahnt sich ihre Star-Aura bis ins Detail mit der DNA des Landes. Eine besondere Ausprägung dieser Verflechtung von Popkultur und urbanem Leben habe ich am 13. Oktober erlebt. Dem 29. Geburtstag von Jimin, Sänger und Tänzer der K-Pop-Band BTS.

Jimin leistet derzeit wie die anderen Mitglieder von BTS seinen Pflicht-Militärdienst ab (bis auf Jin, der bereits discharged ist). Nichtsdestotrotz ist mit „Muse“ im Juli 2024 sein zweites Solo-Album beim Label Big Hit Music erschienen. Die sieben Songs erzählen davon, wie er Inspiration in seiner direkten Umgebung findet. Ein eingängiger Mix aus Rap, RnB und Pop mit Retro-Vibes einerseits und überraschenden Hooks sowie Brüchen andererseits. Und natürlich die Signature-Stimme von Jimin mit seinem eindringlichen und oftmals engelsgleichen Tenor. Die Single „Who“ ist seit zehn Wochen in den Billboard Top 100 vertreten. In dem Song vermisst das lyrische Ich eine Person, der er bisher noch gar nicht begegnet ist. Jimin fragt: „Who is my heart waiting for?“. Diese sehnsuchtsvolle Poesie rührt mich sehr an.

Birthday Cafés für Jimin am Hotspot der BTS-Fankultur, dem Sitz von Hybe

Bereits vor einigen Tage habe ich bei meinen Streifzügen durch Seoul das Viertel Hannam erkundet. Dabei stieß ich zufällig auf die Werbetafel an einer Bushaltestelle im Jimin-Design. Chinesische Fans, also ein Teil der globalen BTS-Army, hatten die Anzeige für ihren Star gestaltet und die Fläche gemietet. Strategisch gut platziert vor der exklusiven Wohnanlage Nine One, in der Jimin sowie andere Stars leben. Meine Recherche ergibt, dass an seinem Geburtstag in ganz Korea, vor allem aber natürlich in Seoul, Dutzende sogenannte Birthday Cafés eröffnen. Das heißt: Cafés, aber auch Lokale und Eisläden werden zu Fan-Treffs und bieten verschiedene Aktionen an. Da ich eine absolute Café-Liebhaberin und Coffee-Loverin bin, fasziniert mich diese Idee natürlich sofort.

Ich fahre zu einem Hotspot der BTS-Fankultur in Seoul: dem Sitz der Entertainment-Lifestyle-Company Hybe in Yongsan, zu dem Big Hit Music gehört. Bereits auf dem Weg dorthin komme ich an einem auf Suppen spezialisierten kleinen Lokal vorbei, das über und über mit dem Konterfei von Jimin dekoriert ist. Auf den eng gestellten Tischen brutscheln Kimchi Stew und Ramen auf den obligatorischen Gaskochern. Darüber strahlt der Star.

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13. Oktober 2024: „Jimtoberfest“ und „Happy Jimin Day“ global gefeiert

Ein Banner auf der Straße, das ebenfalls von der BTS-Army installiert wurde, ruft das „Jimtoberfest“ aus. Und den „Happy Jimin Day“. Ein Claim, der am 13. Oktober auch auf der Plattform X trendet. Vor dem schlichten eleganten Logo der Hybe Headquarters fotografieren sich die Fans mit Fotokarten ihres Lieblings. Zudem fährt ein kleiner Laster im pinken Jimin-Design vor, der von Fans aus Bangladesh geschickt wurde. Und während die Fans natürlich auch vor diesem sweeten Gefährt posieren, kündigen sich parallel direkt weitere Festivitäten an. Ein plakatierter Reisebus erinnert an den nahenden Geburtstag von Heeseung von der Band Enhypen. Ein weiterer Bus verweist auf den 17. Oktober, an dem BTS-Mitglied J-Hope vom Militärdienst entlassen werden soll. Oder, wie es auf dem riesigen Poster mit seinem Gesicht heißt: „to be unlocked for the world again“. Eine Song-Anspielung.

Denn natürlich sind K-Pop-Fans richtige Nerds. Nur dass die Nerd-Kultur im Pop lange Zeit sehr männlich geprägt war. Das heißt: Die musikalische Deutungshoheit fokussierte sich auf Typen, die sich mit B-Seiten und Indie-Geheimtipps auskannten. Und je populärer es wurde, desto mehr wurde und wird die Nase gerümpft. Nun übernimmt – zum Glück – zunehmend eine stark weiblich geprägte Fankultur das globale Geschehen. Und all die Versuche, das Ganze als „Teeniemusik“ abzutun, werden von der Hallyu, also der koreanischen Welle, freudvoll fortgespült. Sollen die alten weißen Männer doch krampfhaft an ihren geschmäcklerischen Pfründen festhalten. Die K-Fans (und jene von Blackpink und Taylor Swift und Harry Styles) erschließen sich die Welt derweil über Popkultur.

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Korea, USA, Indien, China, Europa: internationale Fan-Begegnungen

Zwar sind die Stars im K-Pop großem Druck ausgesetzt. Und es gibt auch obsessive und toxische Ausprägungen der Fankultur. Für mich geht es aber am „Happy Jimin Day“ weniger nur um pure Schwärmerei und Personenkult, als vielmehr um Miteinander und Emanzipation. Weiblich gelesene Fankultur befreit sich aus ihrem marginalisierten Status. Aus einer Zuschreibung, die gerne mal als „hysterisch“ tituliert wird – wie bereits bei den Beatles. Stars des K-Pop sind für viele nicht nur sehnsuchtsvolle Projektionsfläche, sondern Role Model für positive Werte und vor allem Motivationsmotor, die eigenen Leidenschaften auszuleben. Inklusive der Reiselust.

In einem Café auf der Rückseite des Hybe Headquarters stehen die Fans in einer Schlange. Menschen aus Korea, den USA, Indien, China, Europa. Internationale Begegnungen dank Fankultur.

Geteilte Faszinationen: die Verbindung von Beauty und Popkultur

Am Counter gibt es für kleines Geld eine Fan-Tüte mit Jimin-Memorabilia. Sticker und Poster, ein Magnet und eine Seife, ein Getränk samt Jimin-Becher sowie ein Popcorn-Snack. Zudem die beliebten Sammlerstücke, die Fotokarten, sowie ein Leporello, das die Veröffentlichungsgeschichte von „Muse“ zeigt. Alles mit unfassbar viel Liebe zum Detail designed und verpackt. Und überreicht mit dem fröhlichen Ruf: „Happy Jimin Day“. Zudem hat das Café einen kleinen Gabentisch mit Kuchen im Gitarren-Design, dem Album, Fotos und Booklets aufgebaut.

Ich setzte mich mit meiner Jimin-Bag an einen der Tische und komme mit zwei Frauen aus Mexiko ins Gespräch. Sie reisen für einen Monat durch Korea. Die eine ist in meinem Alter, die andere etwas jünger. Fan- und Popkultur sorgt für unmittelbaren Anschluss. Und zugleich sind es langanhaltende und intensive Freundschaften, die so entstehen können. Überhaupt über geteilte Faszinationen. Ich bin zum Beispiel sehr froh, dass ich meine Korea-Begeisterung mit meiner lieben Freundin Julia von der Plattform Beautyjagd teilen kann. Wir tauschen uns auch viel aus über die Verbindung von Beauty und Popkultur. Dieser Fact über Jimin ist da ein kleines Beispiel: Eyeliner aufzutragen, ist Jimins Geheimwaffe. Ohne Eyeliner könne er, so sagt er, weder Hip-Hop tanzen noch sich richtig ausdrücken. Eintauchen in die Popstar-Persona über Kosmetik.

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Einfallsreiche Fankultur: DIY-Station bis Zimmer-Installation

Ich steige in den Bus Richtung Hongdae, wo sich weitere Birthday Cafés für Jimin befinden. Nicht ohne an der Haltestelle noch Ads mit poetischen Glückwünschen unter dem Motto „Happy Jimin Day“ zu erspähen. Auf einem gelben Poster heißt es: „I hope you become happier. I’ll hold you now. So that you don’t fall down when you want to cry“. Eine Abwandlung von Jimins Song „Letter“.

Die Birthday Cafés verleihen sich oftmals eigene, anspielungsreiche und mitunter wunderbar kitschige Slogans, um die Fan-Liebe im K-Pop auszudrücken. „The fate with Jimin, who promised eternity“ ist ein Birthday Café betitelt. Ein Banner mit Jimins Konterfei erstreckt sich über mehrere Stockwerke. Ebenso wie die verschiedenen Angebote rund um den Jubeltag. Es gibt eine DIY-Station, an der ich mir einen eigenen Jimin-Keyring zusammenbasteln kann. An einer Wand werden Glückwünsche und Botschaften an den Star versammelt. Eine kleine Installation stellt mit Kuscheldecke, Büchern und Fernseher ein Jimin-Zimmer dar. Und auf der Dachterrasse lasse ich mich mit einer Pappfigur von einem dösenden Jimin fotografieren. Der Star muss sich halt auch mal ausruhen.

Auch in diesen Showrooms begegnen mir ganz unterschiedliche Menschen. Frauen mit Kopftuch. Schwarze Personen. Freundinnen-Cliquen mit asiatischen Wurzeln. Manche im sportiven Look. Andere nahezu im Manga-Style mit Miniskirt und Kniestrümpfen und bunten Haaren.

K-Pop und koreanische Fankultur als Beispiel für europäische Musikszene?

Ein anderes Café mit dem Titel „Sweet Serenade“ ist romantischer angelegt. Mit herabhängenden Blumen und einer Jimin-Figur, die einen mit einem Strauß in den Händen begrüßt. Eines meiner favorisierten Birthday Cafés in Seoul ist „Jimin’s Ice Mochi Club“. Handgemachte Mochi-Eiskugeln werden da mit einer Jimin-Cartoon-Figur versehen. Dazu gibt es Postkarten, Sticker und einen Jimin-Becher.

Die Glückwünsche an der Wand betrachtend, beende ich den Tag mit dem Geschmack von Milch und Erdbeeren auf der Zunge. Und mit sehr vielen Eindrücken, die ich erst einmal sacken lassen muss. Was wäre, wenn sich die europäische Musikszene nur ein Stück weit von dieser Euphorie und diesem Einfallsreichtum anstecken ließe?

Audiovisuelle Eindrücke vom Happy Jimin Day und von Popkultur in Korea gibt es in meinem Highlight „Seoul Pop 24“  und im Reel auf Instagram 

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