Mitunter zeichnet das Leben schöne Kreise. So einen Full Circle Moment erlebe ich diesen Oktober. Vor kurzem noch sprach ich bei der hochgradig inspirierenden Hamburger Musikkonferenz Operation Ton über K-Pop und Fankultur. Gemeinsam mit der tollen Hannah Pfitzenmaier von der Karsten Jahnke Konzertdirektion erläuterte ich, mit welchen Storytelling-Konzepten die koreanische Popkultur loyale Communities aufbaut. Und wie sich das Fan-Engagement schließlich verselbständigt. Ich konnte viele Fotos und Erfahrungen teilen, die ich im vergangenen Jahr auf meiner Recherche-Reise nach Seoul gemacht habe. Unsere Keynote haben wir so entwickelt, dass Artists aus dem deutschsprachigen Raum zahlreiche Best-Practice-Beispiele für sich mitnehmen können. Wichtig war uns dabei der Disclaimer, dass wir als weiße westliche Personen nicht der Kultur angehören, über die wir sprechen. Dass wir uns dem Thema jedoch mit dem größtmöglichen Respekt nähern möchten, da wir K-Pop in vielen Bereich für wegweisend in der Musikbranche halten.
Jubiläumspop-ups von Ateez und Twice: K-Pop ist da, wo die Menschen sind
Nur drei Tage nach der Operation Ton breche ich nach Seoul auf. Hinein in ein anderes Leben auf Zeit. Diesmal möchte ich noch tiefer eintauchen. Mit mehr Ruhe. Was in der ansteckenden elektrisierenden Energie der Metropole gar nicht so einfach ist. Kurz nach meiner Ankunft ist unglaublich viel los in Sachen K-Pop. Die Boyband Ateez feiert ihr siebtes Bandjubiläum mit einem Pop-up unter dem Titel „8Room“. Acht Räume sind im Stil der einzelnen Member eingerichtet und sogar mit individuell passenden Düften versehen. Ich liebe diese Liebe zum Detail. Das Event findet in der Shopping-Mall The Hyundai Seoul statt. Was wieder einmal mehr zeigt: K-Pop geht dorthin, wo die Menschen sind.
Auch die Girlgroup Twice zelebriert ihr zehntes Bandjubiläum mittendrin, in der I Park Mall. Und zwar mit einem Raumfahrt-Konzept. Die Fans können vor Ort verschiedene Missionen erfüllen. Denn spielerische Interaktion ist nun mal die Queen des Community-Buildings im K-Pop. Diese Idee verfolgt auch das Programm „Let’s Play Your Seoul With Enhypen“. Anlässlich der drei Konzerte der Boygroup im KSPO Dome hat die Stadt Seoul davor im Olympic Parc eine Eventfläche eingerichtet.
Hallyu trifft Stadtmarketing bei „Let’s Play Your Seoul With Enhypen“
In einem Video werden die Member bereits vorab als Botschafter Seouls etabliert. Und vor Ort können Besuchende dann verschiedene Aspekte der Stadt im Enhypen-Style durchspielen. Vom Smart-City-Konzept über den Hiking-Hype bis hin zur vielfältigen Kultur. Die Aktionen reichen von einem technik-getriebenen XR-Bike-Ride über eine Bastelstation für Schlüsselanhänger bis hin zu einer Wunschtafel. Das Ganze läuft unter den Schlagworten: Connection, Energy, Fun, Inspiration. Äußerst beeindruckend, wie clever da Stadtmarketing mit Popkultur aufgeladen wird. Hallyu at its best. Also ein großartiges Beispiel für die koreanische Welle, die offiziell gefördert mit Soft-Power-Faktoren wie Musik, Serien und Beauty das Storytelling und somit auch den Export des Landes prägt.

Da ich nicht alles auf einmal ansehen kann (Stichwort: „sich Zeit lassen“), entscheide ich mich, zum Auftakt meines Seoul-Aufenthalts einen Fokus auf Stray Kids zu legen. Immerhin habe ich die Gruppe im Juli bei ihrer ausverkauften Stadion-Tour in Frankfurt erlebt. Und noch halb im Jetlag ist es schön, an diese Energie anzuknüpfen. Um ihre „Dominate“-Welttournee zu reimaginieren, laden sie zu einem Pop-up im Mapo District direkt am Han River. Das Gebäude auf einem Ponton ist großformatig mit den Konterfeis von Stray Kids dekoriert. Unten können Gäste in Cafés und Convenience-Stores mit Blick auf den Fluss verweilen. Zudem lassen sich Tretboote in Schwanen-Form ausleihen.
Am Han River den Gedanken nachhängen und langsam in Seoul ankommen
Über den zweiten und dritten Stock erstreckt sich dann die Stray-Kids-Fläche. Unter anderem können Fans interaktive Games spielen, die die SKZoo featuren, also die Tier-Alter-Egos der Band. Zudem haben die einzelnen Member individuelles Merch gestaltet. Von Pantoffeln bis hin zu Halsketten. Leider ist das Pop-up nicht als Walk-in ausgelegt, sondern funktioniert über eine Registrierung vorab. Da der Hype um die Band riesig ist, sind alle Slots ausgebucht. Aber ich will natürlich dennoch den Vibe des Ganzen aufnehmen und mir das Pop-up zumindest von außen ansehen. Zumal es einfach gut tut, die Abendstimmung am Hangang zu genießen.
Am Ufer sitzen viele Leute und betrachten den Sonnenuntergang über der Seongsan-Brücke. Und so hänge auch ich ein wenig meinen Gedanken nach und versuche, noch mehr anzukommen in Seoul. Denn so ein Transfer in ein anderes Leben auf Zeit fühlt sich nicht sofort auf Knopfdruck ausschließlich angenehm und entspannt an. Als selbstständige Journalistin, Texterin, Moderatorin und DJ war mein Jahr bis zu diesem Punkt sehr arbeitsreich. Und viele kennen es sicherlich: Mit mehr freier Zeit nehmen sich auch viele Gefühle und Gedanken ihren Raum, die im Alltäglichen tiefer verborgen liegen. Alles darf in Seoul nun ein wenig softer werden. Darf sich öffnen für neue Eindrücke.
K-Pop ist überall: Überraschung in der Subway
Und als sollte ich dafür entlohnt werden, dass ich das Pop-up nur von außen sehen konnte, steige ich auf dem Heimweg doch tatsächlich in einen Subway-Waggon in kompletter Stray-Kids-Optik. Gruppen- und Einzelfotos an den Wänden. Schriftzüge auf dem Boden. Inklusive QR-Code. Denn die sieben Member machen Werbung für den Pepero Day am 11. November. An diesem Tag werden die Pepero, mit Schokolade überzogene Gebäckstangen, an liebe Menschen im Umfeld verschenkt, um ihnen Zuneigung zu zeigen.

Pepero spielt auch eine Rolle an meinem nächsten Stray-Kids-Tag. Am Samstag, den 25. Oktober, feiert Lee Know von Stray Kids seinen Geburtstag. Und zahlreiche sogenannte Birthday Cafés laden ihm zu Ehren zu Fan-Events. Manche selbst organisiert, manche zusammen mit der Community. Die Interieurs reichen vom knallbunten Sammelsurium bis hin zu arty in Schwarz-Weiß kuratiert. Online zähle ich rund 50 gelistete Birthday Cafés für Lee Know in Seoul. Im vergangenen Jahr habe ich die Birthday Cafés zu Jimin von BTS in Seoul erkundet. Wie in einem wilden Fiebertraum bin ich damals durch die Stadt gejagt, um möglichst viele Spots mitzunehmen. Jetzt (Stichwort: „sich Zeit lassen“) konzentrierte ich mich auf das angesagte Viertel Hongdae. An vielen Cafés, die ihre Fassaden mit Artwork zu Lee Know verziert haben, schlendere ich einfach vorbei. Drei besuche ich. Und in zweien setzte mich tatsächlich auch einfach mal hin.

Fan-Kultur bei den Birthday Cafés für Lee Know von Stray Kids
In der Regel ordert der Gast eines Birthday Cafés ein special Package, das aus dem Angebot des Lokals und einem Geschenk-Tütchen besteht. Zu einem Kaffee und später einem Frozen Yogurt erhalte ich Fotokarten, einen Kalender, bedruckte Becher, Schlüsselanhänger, Aufkleber und Macarons. Natürlich alles im Lee-Know-Look gestaltet. Vor Ort sind wie in einer Ausstellung meist Wände mit Fotos des Idols zu sehen. Und an einer Tafel können die Fans Glückwünsche hinterlassen. Besonders beeindrucken mit die üppig gestalteten Geburtstagstische, die Details zu dem Star versammeln. Die etwa seine Liebe zu Katzen zeigen. Oder sein SKZoo „Leebit“, einen weißen Plüschhasen. Beim Lucky Draw können Fans zudem unterschiedliche Fotokarten ziehen. Oder Erinnerungsfotos in einer Fotobox schießen.

Am meisten rührt und begeistert mich allerdings das Gemeinschaftsgefühl der Fans. Ich unterhalte mich mich mit zwei jungen Frauen aus New York, die dort selbst ein Fan-Café organisiert haben. Und die gerade versuchen, in die Musikbranche einzusteigen. Ich komme zudem ins Gespräch mit einer Frau aus den Niederlanden, die Stray Kids in diesem Jahr bereits vier Mal live gesehen hat. Sie hat mit 30 ihre Wohnung aufgegeben und reist nun um die Welt. Mit einem langen Aufenthalt samt Sprachkurs in Seoul. Ein Transfer in ein anderes Leben. Hinter jedem Fan stecken eigene Geschichten, Passionen, Sehnsüchte.
Süße Pepero über Sprachgrenzen hinweg
Die Niederländerin dolmetscht dann auch über die Tische hinweg die Unterhaltung mit einer jungen koreanischen Frau, die bereits viele Lee-Know-Becher aus verschiedenen Birthday Cafés gestapelt mit sich führt. Zudem hat sie eine große Pepero-Box dabei, aus der sie uns kleine Pakete im Stray-Kids-Design schenkt. So eine freundliche und eindrückliche Geste, die mich angenehm verbunden fühlen lässt. Wie schön es doch ist, über Popkultur immer mehr anzukommen. In einer Stadt, einem Land, einem Leben.


