„Mein Beitrag‟ mit Fheels: gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen

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„Es gibt viele Gruppen, die marginalisiert werden. Die Frage ist: Wie können wir Teilhabe gewährleisten in unserer bunten Gesellschaft? Ich möchte mit unserer Musik emotionalisieren und so stark zum Nachdenken anregen, dass sich Dinge im Alltag verändern. Alle, die auf unseren Konzerten sind, können als Multiplikatoren fungieren: Sie können erzählen, dass es da eine coole Band gibt, mit einem Sänger und Gitarristen im Rollstuhl. Das Bild von Menschen mit Behinderung normalisiert sich durch diese Sichtbarkeit‟, sagt Felix Brückner von der Hamburger Band Fheels. Ich bin sehr froh, dass ich mit diesem passionierten Musiker für die Artikel-Reihe „Mein Beitrag‟ sprechen konnte. Mit diesem Projekt stelle ich auf meinem Blog junge Popkünstler*innen vor und frage, welche Wechselwirkung besteht zwischen ihrer Musik und politischen Kontexten. Fheels ist die letzte Band, die ich im Rahmen meines aktuellen „Neustart Kultur‟-Stipendiums unter diesem Blickwinkel porträtiere. 

Das Quartett blickt in seinen Songs und Videos kritisch auf zahlreiche gesellschaftliche Themen: soziale Benachteiligung, den Umgang mit geflüchteten Menschen, toxische Abhängigkeiten oder die Auswüchse des Kapitalismus. Und sie zeigen eindrücklich, dass Personen, die nicht der vermeintlichen körperlichen Norm entsprechen, ebenso Lust und Anrecht haben auf Nähe, Liebe, Kultur und gemeinschaftliche Erlebnisse. Letztlich denkt die Band den viel zitierten und heftig diskutierten Begriff Inklusion sehr weit. Und Fheels belebt diese Idee mit ihrer Performance, mit ihren Texten und ihrem Sound. Mit einer satten Wucht aus Rock, Psychedelic und Soul. Befeuert von Justus Murphy am Schlagzeug, Jonathan Murphy am Bass und Tobias Nitzbon am Keyboard. Getrieben und geklammert wird all das von Felix‘ Stimme. Zum Beispiel in dem Song „Empathy‟: Zu einer verhalten driftenden Gitarre arbeitet sich sein Falsettgesang hinab in die Abgründe. Das ist äußerst spannend anzuhören.

Felix Brückner verbindet die Stimme mit einer Haltung, einer Aussage

„Die sitzende Position ist nicht die beste zum Singen, daher hatte ich einen sehr stolpernden Start in meine Gesangskarriere‟, erzählt Felix Brückner, der seit einem Snowboard-Unfall als 17-Jähriger von der Brust abwärts gelähmt ist. Als Kind hatte er bereits im Chor gesungen und Gitarre gespielt. Und nach seinem Sozialpädagogik-Studium absolvierte er mit viel Fleiß und intensivem Stimmstudium seine Ausbildung an der Hamburg School of Music. „Ich war schon immer fasziniert von Männern, die gute Falsett- und Kopfstimmen haben. Tom Waits ist da ein super Beispiel, er bietet eine unglaubliche Abwechslung.‟ Seine gesangliche Bandbreite nutzt Felix Brückner bei Fheels allerdings nicht nur, um kunstvoll zu beeindrucken. Er verbindet die Stimme mit einer Haltung, einer Aussage. Wenn er etwa in „Empathy‟ immer wieder mit Nachdruck singt „it’s about helping / instead of blaming them‟, dann hat das einen ernsten Hintergrund. 

„Der Song ist aus meiner Auseinandersetzung mit Geflüchteten entstanden. Ich komme aus einer Region im Süden Thüringens. Und ich denke: Hey, ihr habt hier ein Haus mit Garten. Es geht euch gut. Warum habt ihr so wenig Verständnis für Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten. Die wenig haben. Dabei könntet ihr etwas abgeben. Und es würde euch noch nicht einmal wehtun. Stattdessen fallen dann aber Sätze wie: Die laufen hier mit iPhone rum. Das macht mich wütend‟, erklärt Felix Brückner. 

Animiertes Schwarz-Weiß-Video verhandelt Fragen nach Sinn und Erfolg

Ein zentraler Song des Debütalbums „Lotus‟, das Fheels im Jahr 2022 beim Label Superlaut veröffentlicht hat, ist für mich „Phil the Beggar‟. Mitsamt dem tollen Schwarz-Weiß-Video, das im Mónjoh Studio animiert wurde. Und das eine Art Pink Floyd’sches Epos erzählt: Ein reicher Typ bewegt sich sinnentleert durch eine dystopische Stadt. Bis alles explodiert. Bis er sich auflöst und neu erfindet. Seine Freiheit findet er ohne Besitztümer auf einer Brücke sitzend. Eine einfache Botschaft, mit starken Bildern umgesetzt.

„Der Song beschäftigt sich mit der Frage, ab wann man eigentlich als erfolgreich gilt‟, sagt Felix Brückner. „Materialismus führt nicht dazu, dass wir alle glückliche Menschen sind. Und gerade in Deutschland müssen sich vor allem Künstlerinnen und Künstler häufig rechtfertigen, warum sie nicht einen sogenannten vernünftigen Beruf mit Hand und Fuß ausüben.‟ Und selbst wenn eine Band eine gewisse Aufmerksamkeit erhält: Ab wann hat sie es „geschafft‟? Wenn sie eine Halle mit 1000 Leuten füllt? Wenn sie im Fernsehen ist?

Fheels, fotografiert von Sophie Schwarzenberger (so auch das Titelbild)

„Wir sind souveräne und interessierte Menschen‟

„Ich bin glücklich, wenn ich machen kann, was ich liebe. Und wenn ich einen Teil meines Lebensunterhalts damit bestreiten kann‟, sagt Felix Brückner. Er definiert Erfolg vielmehr darin, was sich positiv auf das gesellschaftliche Miteinander auswirkt. Deshalb engagiert er sich auch über die Musik hinaus seit 2019 in dem Kollektiv „barrierefrei feiern‟. „Wir wollen genauso Kultur konsumieren, Konzerte erleben und Party machen wie alle anderen. Dieses Verständnis muss in die Köpfe gelangen‟, erklärt Felix Brückner. „Wir sitzen nicht traurig zuhause, sondern sind souveräne und interessierte Menschen. Wir haben genauso Interessen und Themen. Und wir sind manchmal auch einfach heartbroken.‟ 

Ihm geht es zum einen um viele kleine Aktionen, die gestartet werden können. Zum Beispiel, eine kleine Rollrampe vor einem Club zu installieren. Oder eine Webseite so zu gestalten, dass blinde Menschen sie lesen können. Zum anderen müsse es mehr staatliche kulturpolitische Entscheidungen geben, damit Veranstaltungsstätten die Barrierefreiheit direkt mitdenken. Also etwa Fördertöpfe, um Locations rollstuhlgerecht umzubauen. „In Hamburg gibt es Spielstätten, da passen Tausende Leute rein, aber ich kann da noch nicht mal eine Toilette benutzen‟, erläutert Felix Brückner. Er wünscht sich, dass sich die Veranstaltenden immer weiter sensibilisieren und Barrierefreiheit nicht einfach als „nervigen Mehraufwand‟ sehen.

Song „Sharped Dressed Animal‟, ein sex- und bodypositives Statement

Seine Band Fheels sieht er als gutes Beispiel, wie sich Inklusion sehr selbstverständlich leben lässt. „Ich merke, wie normal es sein kann, dass Menschen ohne Behinderung deine Perspektive mitdenken. Meine Bandmitglieder gucken automatisch mit. Zum Beispiel, ob ich barrierefrei in einen Club reinkomme. Das ist wirklich schön.‟ 

Felix Brückner möchte mit seiner Musik zudem andere Menschen mit Behinderung motivieren, selbst Künstler*in zu werden. Sich zu zeigen und auszudrücken. So, wie der Sänger und Gitarrist selbst es in dem Video zum Song „Sharped Dressed Animal‟ tut. Ein sex- und bodypositives Statement. Der Clip zeigt Felix in erotischen Szenen mit einer Frau. Viel Haut, viel Vollkontakt. „Der Dreh war sehr besonderes und hat mich auch Überwindung gekostet‟, erzählt der Musiker. „Das Video sehe ich als Chance, den Menschen da draußen die Augen zu öffnen: Wir sind auch sexuell. Wir zeigen uns selbstbewusst. Auch wenn die Körper nicht einer Norm entsprechen, wie sie häufig beispielsweise in den Sozialen Medien noch propagiert wird.‟ 

Die bisherigen Teile von „Mein Beitrag‟:

Mein Beitrag: die Idee

Dunya aus Hamburg

K.ZIA aus Brüssel / Berlin

Still Talk aus Köln

Mulay aus München / Berlin

Mino Riot aus Saarbrücken

Anoki aus Schweinfurt / Berlin

Rauchen aus Hamburg

Mia Morgan aus Kassel

Zouj aus Leipzig

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