Meine Großmutter besaß bis Anfang der 70er-Jahre einen Hutladen in Wesel am Niederrhein, meiner Geburtsstadt. Mein Großvater wiederum führte einen Maler- und Lackiererbetrieb. Beide Geschäfte teilten sich ein Büro, in dem lange Jahre sämtliche geschäftlichen Korrespondenzen auf einer Schreibmaschine der Marke Olympia getätigt wurden. Als eine elektronische Variante Einzug hielt, landete das schwere solide Stück bei uns zuhause, wo ich als Kind meine ersten Schreibübungen absolvierte. Das Hämmern der Lettern, die Buchstaben auf dem Papier, das „Ping“ am Ende einer Zeile – all das faszinierte mich.
Ich schrieb zwar fortan viel mit der Hand – Briefe, Tagebücher, Aufsätze, Notizen, Prosatexte, später journalistische Recherchen. Doch die Schreibmaschine, die mittlerweile in meiner Hamburger Wohnung steht, erinnert mich stets an den Akt, einen Text für alle einheitlich lesbar zu machen. An die Kulturtechnik des gedruckten Wortes, die uns nach wie vor miteinander und mit der Welt verbindet. Längst nutze ich einen Computer, um Artikel und Essays, Mails und Beiträge zu verfassen. Doch die Mechanik der Olympia, die nach all den Jahrzehnten weiterhin funktioniert, ist für mich ein schöner Verweis darauf, dass professionelles Schreiben auch etwas mit Technik zu tun hat. Damit, die Worte bewusst zu setzen. Sie gezielt zu verwenden. Einen Text zu verdichten – mit Themen, mit Emotionen, mit Dramaturgie.
Diese Präzision kann jedoch nur in Balance mit dem so genannten Flow gelingen. Dann beginnen die Worte zu fließen. Intuition und Inhalt geraten ins Gleichgewicht, bis der Text rund ist. Die Schreibmaschine verkörpert für mich somit ebenfalls die freigeistige, forschende Seite des Schreibens. Ernest Hemingway, dessen Bücher ich Mitte der 90er-Jahre als Studentin innig verschlungen habe, formulierte es so:
„There is nothing to writing.
All you do is sit down at a typewriter and bleed.“
Ganz so melodramatisch gestaltet sich der tägliche Prozess des professionellen Schreibens – zum Glück – nicht. Doch das viel zitierte Herzblut darf tatsächlich ebenso wenig fehlen wie Klarheit und Sachverstand.
Dass meine Großeltern selbst Geschäftsleute waren, ermutigt mich in meiner Selbstständigkeit. Und ihre alte Olympia-Schreibmaschine, die auf dieser Webseite zu sehen ist, ist Gedenkstück und Glücksbringer zugleich.