In Musikbranche und Medien gibt es gerne große „Ohhs“ und „Ahhs“, wenn Künstler ohne viel Vorankündigung ein neues Album oder neue Songs „droppen“. Meist steht der Grad des Aufsehens natürlich in Proportion zur Popularität des jeweiligen Pop-Acts. U2, Kanye West, Björk, Radiohead und Beyoncé haben alle bereits für Überraschungsoutput gesorgt. Ob das nun ein Marketingkniff war oder die Artisten lediglich Bock auf das Momentum des Spontanen hatten, darf diskutiert werden.
Ich jedenfalls freue mich dieser Tage sehr über eine unerwartete Mail in meinem Postfach. „New release from mint mind“ informiert mich die Betreffzeile. Und aus dem Brief schaut mich auch schon das Logo der Band an. Eine Katze mit Augenklappe, die vor zwei gekreuzten Gurken ihr struppiges Fell erstreckt. Ähnlich dem St. Pauli-Logo, bloß ohne Knochen.
Halfpipe outta space
Ich mag den super selbstgebastelten Charme der Figur, die bestens zu dem schlurfigen Charme ihres menschlichen Pendants passt: Mint Mind ist das Projekt von Tocotronic-Gitarrist Rick McPhail, der mit „near mint“ vor vier Jahren bereits ein sehr feines Album veröffentlicht hat. Die neue EP heißt „my new skateboard“. Und die vier Songs lassen sich ganz easy gegen Spende bei Bandcamp herunterladen.
Spätestens an dieser Stelle merkt Ihr natürlich, dass es sich bei dem aktuellen Mint-Mind-Release nicht um ein globales, viral gehendes Surprise-Megaevent handelt. Aber das Ausmaß der eigenen Freude hängt ja zum Glück nicht von der kollektiv gehypten Größe des Künstlers ab.
Der Titelsong der neuen EP ist eine satt drückende Rocknummer. Gitarre und Gesang scheinen durch so viele Verzerrer, Effektgeräte und Hallmaschinen zu laufen, als skate der Hörer durch eine Halfpipe outta space. Rund und rund. Ich mag sehr, wie der Sound bratzt und driftet und immer weiter nach vorne drängt. Ein wilder cooler Ritt, der aber dennoch nicht mackerhaft breitbeinig daherkommt, sondern sehr sympathisch lässig dahin brettert.
Jeder rollt in seiner und ihrer eigenen Art durchs Leben
Im Original stammt die Nummer von der einstigen britischen Rockband Love And Rockets. Statt eines Skateboards wird da ein Motorrad besungen respektive kultisch verehrt. Im Vergleich zu der zweirädrigen Variante ist die Version von Mint Mind ein wenig dreckiger, bleibt aber zugleich eine schöne Hommage. Ich mag diese Umwidmung auf das eigene bevorzugte Fortbewegungsmittel. Jeder rollt schließlich in seiner und ihrer eigenen Art durchs Leben.
Und wo wir gerade musikalisch schon einmal in den Weltraum aufgestiegen sind: Der zweite neue Song von Mint Mind – das Cover eines Sesamstraßen-Songs – klärt uns darüber auf, dass das lyrische Ich nicht auf dem Mond leben möchten. „I don’t want to live on the moon“ ist eine Low-Fi-Hymne mit Slacker- und College-Rock-Flair sowie selig machendem Aus- und Aufbruchschorus.
Entstehungsprozesse bei Mint Mind
Die weiteren zwei Stücke auf der EP sind Demo-Versionen älterer Songs: „in series or parallel“ sowie „mind over matter“. Ich mag solche Einblicke in Entstehungsprozesse sehr gerne. Wenn die Musik noch im Prozess steckt, noch etwas entblößter ist. Aber gerade dadurch ihren ganz eigenen Wert und Reiz besitzt.
Also, in Hamburg oder anderswo: Achtet auf die Katze mit der Augenklappe. Sie ist fuzzy und freundlich.