Let’s talk about money, let’s talk about love

Wie lässt sich mit Musik Geld verdienen? Und was bedeutet das eigentlich, ein sogenanntes Independent-Label zu führen? Diese Fragen sind Dauerbrenner der Branche und werden dieser Tage erneut intensiv diskutiert – auch in Hamburg.

In der aktuellen Ausgabe des Wirtschaftsmagazins „Brand Eins“ porträtiert Journalist Nils Wischmeyer die beiden Hamburger Plattenfirmen Tapete Records und Grand Hotel van Cleef. Der Artikel legt dar, dass das Pop-Geschäft längst nicht das glamouröse Business ist, für das manche es noch halten mögen.

Tapete Records und Grand Hotel van Cleef: die Mischkalkulierer

Beide Unternehmungen gründeten sich 2002, direkt nach dem großen Einbruch der Branche durch Onlinetauschbörsen wie Napster. Grand Hotel van Cleef setzt auf ein zugespitztes Portfolio mit Kettcar und Tomte als Zugpferde und Cashkühe. Tapete Records wiederum holt seinen Profit über die Vielfalt von Newcomern wie Zimt bis zu etablierteren Bands wie Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen.

Doch beide leben längst nicht mehr nur vom Tonträgerverkauf. Stattdessen mischkalkulieren Tapete Records und Grand Hotel van Cleef, indem sie mit Musikverlag, Booking, Promotion, Sublabel und Merchandise weitere Einkunftsquellen geschaffen haben. Entsprechend quasi-optimistisch trägt der „Brand Eins“-Beitrag den Untertitel „nicht das Ende vom Lied“.

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Bands im Miniaturformat, gesehen im Monkeys Music Club

Interessant finde ich, dass der Text auch konkrete Zahlen nennt: „25 Platten bringt Tapete Records jährlich auf den Markt und verbucht rund 1,2 Millionen Euro Umsatz. 2016 blieben davon rund 36.000 Euro Gewinn übrig, nicht mehr als bei einem kleinen örtlichen Handwerksbetrieb“, heißt es in dem Artikel. Grand Hotel van Cleef habe im vergangenen Jahr „eine Million Euro Umsatz und 117.000 Euro Gewinn gemacht. Zum Vergleich: Universal verbuchte im selben Zeitraum einen Umsatz von 5,7 Milliarden Euro.“ Zudem holen sich beide Labels unter anderem Unterstützung von der Labelförderung Hamburg.

Wolfgang Müller: „konnte Platte nicht ins Plus hieven“

Die Bilanz zeigt: Reich werden Tapete Records und Grand Hotel van Cleef sowie deren Mitarbeiter nicht. Aber das Herzblut reicht zum Überleben. Und beide Labels gehören noch zu den solideren Marken des hiesigen Popmarktes. Noch härter zu kämpfen haben kleinere Firmen oder Künstler im Selbstverlag.

Der Hamburger Musiker Wolfgang Müller hat am 20. Oktober auf seiner offiziellen Facebookseite einen Post veröffentlicht, der wenig positiv klingt. Er erzählt, dass er „das letzte Album trotz vieler toller Kritiken, toller Konzerte und teilweise immerhin 5-stelligen Plays bei Spotify nicht ins Plus hieven“ konnte. Kaum jemand kaufe mehr Tonträger und die Erlöse aus Streaming seien viel zu niedrig. Das führe dazu, dass selbst bekanntere Musiker ihr neues Album nun einfach via Soundcloud kostenlos ins Netz stellen.

Pascal Finkenauer: Songs kostenlos online

Jüngst ist das geschehen bei Pascal Finkenauer und seiner Platte „Lichter sehen“. Der Hamburger Singer-Songwriter hat schöne schwere Lieder zwischen einflüsterndem Gesang, dunklem Pathos und intensiver Spoken-Word-Performance geschaffen. Songs, die sich nicht einfach nebenbei weghören lassen. Und die deswegen besonderer Aufmerksamkeit bedürfen. Nun stehen diese Stücke online. Doch was bedeutet das?

Besser kostenlos gehört werden als gar nicht. Songs als Visitenkarte. Ohne Einnahmen, aber auch ohne Abgaben an einen Vertragspartner, ein Label etwa. Doch wer sorgt dann für den Schub an Aufmerksamkeit? Und macht das Einzelkämpfen nicht mürbe auf Dauer?

Ideen für ein faires Bezahlmodell im Streaming

Wolfgang Müller hat seine Reflexionen und Ideen auf seiner Webseite noch einmal detailliert ausgeführt. Für ihn ist Streaming langfristig gesehen alternativlos. Aber dass Musiker bloß auf Crowdfunding, Spenden und Förderung setzen, um ihre Lieder dann kostenlos publizieren zu können, ist für ihn kein tragfähiges Modell. Er plädiert für ein faires Bezahlmodell beim Streamen. Das soll maßgeblich so funktionieren: Ab einer gewissen Häufigkeit, die eine Person einen einzelnen Song hört, bezahlt er oder sie dafür. So ließen sich die Gewinne gerechter aufteilen.

Mir gefällt es sehr gut, dass da jemand nicht nur jammert, sondern sich aktiv Gedanken macht, wie sich eine Situation verbessern lässt. Ich denke dennoch, dass der Prozess des Transits für viele Musiker weiterhin äußerst herausfordernd sein wird. Zumal auch das in den vergangenen Jahren boomende Live-Geschäft für unbekanntere Bands nicht die Goldgrube ist, zu der es gerne erklärt wird.

Um noch einmal mit Wolfgang Müller zu sprechen: „So viele Sonder-Boxen, Vinyl-Platten oder Turnbeutel kann man gar nicht verkaufen, um den Verlust der Einnahmen durch CD-Verkäufe zu kompensieren.

Simon Love in Hamburg: großes Konzert vor kleinem Publikum

Simon Love, UK, Band, musician, Concert, Monkeys Music Club, Hamburg, PopAll diese Überlegungen, Informationen und Diskussionen gehen mir durch den Kopf, als ich am Dienstagabend zum Konzert von Simon Love in den Monkeys Music Club aufbreche. Der Brite ist mit seinem zweiten Soloalbum – da schließt sich der Kreis – bei Tapete Records unter Vertrag.

Die Platte „Sincerly, S. Love x“ präsentiert Simon Love in Altona, einige Häuser abseits der Fabrik im Hinterhof in direkter Nachbarschaft zum Projekt barner 16. Nicht gerade Kiez-Laufweite. Zudem regnet und stürmt es bereits den ganzen Tag. Ein Dilemma: Im Sommer war es vielen zu heiß, um in Clubs zu gehen. Und wenn dann im kühleren Herbst das Hamburger Schietwetter tobt, bleiben nicht wenige lieber zuhause auf dem Sofa. Ich bin also sehr gespannt, wer und wie viele Gäste wohl anwesend sein werden bei diesem Konzert.

Monkeys Music Club: rustikaler bis unverwüstlicher Charme

Das Monkeys hat im Februar 2015 das damalige Kir abgelöst und fokussiert sich auf Subkulturen von Punk über Ska und Reggae bis zur Sixties-Szene. Besondere Gemütlichkeit verleiht ein eigener separater Pub im Club. Aber auch ansonsten besitzt das Monkeys einen rustikalen bis unverwüstlichen Charme mit großer Rundumtheke in der Mitte und einer Bühne schräg dahinter, vor der etwa 100 bis 150 Leute Platz finden dürften.

Simon Love, UK, Band, musician, Concert, Monkeys Music Club, Hamburg, PopAn diesem Abend zähle ich mit viel Wohlwollen – Personal und Bandanhang mitgerechnet – 20 Personen, die der wirklich tollen Musik von Simon Love lauschen. Der Sänger, Gitarrist und Pianist ist mit seinen „old romantics“ angereist. Vier Bandmitglieder, die Schlagzeug, Trompete, Bass und Keyboard spielen. Nicht zu vergessen ein Skelett namens Freddy, das in der Ecke steht, ein Simon-Love-Shirt trägt und hoffentlich nicht das baldige Ende dieser Band andeutet.

Liebe zahlt keine Miete

Wenn mehr Leute vor als auf der Bühne stehen, wird gespielt“, erklärt mir ein alter Showgeschäftshase aus dem kleinen Publikum. Zum Glück. Denn der Auftritt ist wirklich richtig gut. Simon Love entwickelt fantastische Harmonien und einen famosen Humor, was sich nie und nimmer als reines Nerdwissen anlesen lässt. Dafür bedarf es neben Know-how eben auch Intuition, einer gewissen Grundschrulligkeit sowie, genau, Liebe. „Love“ steht in fetten Lettern auf der Verkleidung um Simons Piano. Und der Pilzkopf erzählt uns von den absurden, missglückten und hoffnungsvollen Facetten des Beziehungsspiels.

Simon Love, UK, Band, musician, Concert, Monkeys Music Club, Hamburg, Pop Von der aktuellen Platte gefällt mir „Joey Ramone“ am besten. Eine Ode an den schlaksigen Sänger der Ramones, deren „1 2 3 4“, „Hey Ho“ und Handclap-Appeal er in eine beach-boy-selige Nummer verwandelt. Da geht der Himmel ganz weit auf. Grandios ist aber auch der Albumopener „God Bless The Dick Who Let You Go“. Eine wahrhaftige wie hoch melodische Hymne, die den Weg lobpreist, den die Liebe zum lyrischen Ich genommen hat.

Sofort wünsche ich dem Künstler, einen solch wunderschönen Song in einem großen Konzertsaal vor tausenden Menschen mit Streichern und Bläsern und allem Pipapo aufführen zu können. Im Monkeys wiederum fühle ich mich sofort als Teil einer verschworenen Gemeinschaft, die gerade etwas sehr Besonderes erleben darf. Und deshalb umso euphorischer klatscht und jubelt.

Geld wurde an diesem Abend gewiss nicht verdient. Und Liebe zahlt keine Miete. Das Thema wird mich weiter beschäftigen. Aber Love bringt uns zusammen. Immer wieder. Danke vielmals dafür.

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