Mitunter kann Ausgehen ganz unaufgeregt sein. Und sehr schön. Zum Wochenausklang gehe ich in den Pudel Club am Hafen. Geduckt unter einem Baugerüst hockt das kleine Haus da. Seit dem Brand 2016 läuft die Sanierung dieses Hamburger Herzstücks. Und seit kurzem liegt der Club komplett in der Hand zweier Stiftungen, was den langjährigen Pudelakteuren mehr gestalterische Freiheit eröffnen soll. Das eigensinnige Eigenleben ist gesichert. Hoffentlich.
An diesem frühen Abend erscheint mir der Pudel Club wie eine leuchtend rote, rauchgeschwängerte Kapsel, die entschleunigt durch Raum und Zeit gleitet. Jeden Freitag lädt der Plattenladen Groove City von 20 bis 23 Uhr in die „Groovy Schüssel“. Der Shop im Karoviertel steht für Rhythmisches von Funk bis Hiphop, von Reggae bis Electro, von Jazz bis zu Staunenswertem aus aller Welt. Und diesem speziellen Groove-City-Geist verbundene DJs laden Betreiberin Marga Glanz und ihr Team freitags in den räudigen Hundeladen.
Sweet und deep Soul bei der „Groovy Schüssel“ im Pudel Club
Ich liebe es sehr, wenn kreuz und quer durch die Stadt solche musikalischen Fäden gezogen werden. Sie halten Hamburg ganz anders zusammen als das viel zitierte Kaufmannsleben. Diese Fäden weben die Stadt aufs Feinste ein. Ohne, dass sie es merkt.
Bei der „Groovy Schüssel“ spinnen an diesem Abend Inger Schwarz und Imke Keyssler an den Plattenspielern. Inger ist als charismatische DJ und Barfrau oftmals im Komet zu erleben. Und sie zählt zum Kollektiv Fortyfive Degrees, über das ich bereits zum Thema Soulmusik geschrieben habe. Imke gehört zu meiner heiß geliebten Radiogruppe Das Draht, mit der wir beim Internetradio Byte FM seit nun mehr zehn Jahren stilistisch diverse Sendungen produzieren. Imke hat ihre jüngste Radioshow bei Mixcloud hochgeladen – sehr zu empfehlen.
Supersofte Stimmen, die das Herz sachte fluten
Inger und Imke legen auf unter dem Motto „Slow down – sweet and deep soul“. Keine Musik zum aufgekratzten Tanzen. Sondern ein Sound, der uns verlangsamt. Der uns ein wenig unter die Oberfläche des Lebens sinken lässt. Tief eben. Aber ohne dunkel abzudriften. Dafür sorgt die Süße. Die supersoften Stimmen, die das Herz sachte fluten und dann in Zeitlupe überlaufen lassen. Angetrieben von eleganten Arrangements, von extra zarten Streichern, butterweichen Bläsern und Chören, die unsere Seele melancholisch euphorisieren. Die sich in all ihrer Sweetness etwas Schroffes, Aufgerautes bewahrt haben. Eine feine Spannung.
Es ist schön zu beobachten, wie Inger und Imke im Flow agieren. Mit dem Licht einer kleinen Taschenlampe im Plattenkoffer blättern. Im Wechsel das Vinyl auflegen. Kurz reden. Aus dem Fenster schauen. Bis zur Elbe. Dann den Blick schweifen lassen durch den Raum, der entspannt gefüllt ist.
Mit Liebe aufladen
Später in der Nacht wird an dieser Stelle unter der Discokugel eine andere Energie rotieren. Electro, Beats, Tanz. Wir glühen den Laden vor, laden den Club mit Ruhe und Liebe auf. Einige unterhalten sich zu zweit oder mit mehreren. Andere stehen einfach für sich da. Das mag ich sehr.
Eine Frau hat die Augen geschlossen, wiegt ganz leicht hin und her, zieht ab und zu an ihrer Zigarette. Ein Typ nickt mit dem Kopf zum Takt. Drin in jedem Song. Ich muss daran denken, dass ich mich früher viel häufiger mit Freunden getroffen hat, um einfach gemeinsam Musik zu hören. Die Atmosphäre an diesem Abend im Pudel kommt dem schon sehr nahe. Ich freue mich, dass es Orte in der Stadt gibt, wo sich Menschen alleine wohl fühlen. Ohne einsam zu sein.