Konzert für „Viva La Bernie“ – das ist Hamburg

7.000.000 – diese Zahl hängt in knallig grünen Ziffern im Innenhof an der Bernstorffstraße 117 in Altona auf der Grenze zu St. Pauli. Mehr als 100 Menschen leben und arbeiten seit 30 Jahren in dieser Hofgemeinschaft. Handwerker und Künstler wirken in Ateliers, Studios und Werkstätten. Ein gewachsenes, konstruktives Miteinander, das Stadtplaner an anderen Orten Hamburgs erst händeringend neu erschaffen wollen. In der „Bernie“, wie das Areal von Aktiven und Nachbarn liebevoll genannt wird, ist dieser „kreative urbane Mix“ seit Jahrzehnten gelebte Realität.

Viva La Bernie, Bernstorff 117, Bernstorffstraße, Hamburg, backyard, artists, concert, party, hiphop Obwohl ich in der „Bernie“ nicht ansässig bin, ist es auch meine Realität. Mein Bild von Hamburg. Wegen solcher Inseln, wegen des Subkulturellen und schön Spröden bin ich vor mehr als 20 Jahren hergezogen. Wo keine Kanten sind, bleibt nichts hängen. Der Charakter einer Stadt gleitet sonst ab an glatten Glasfassaden.

Mehr als 120 private Kreditgeber und Unterstützer für „Viva La Bernie“

Sieben Millionen – diese unfassbar hohe Summe hat der Verein „Viva La Bernie“ nun in Euro aufgebracht, um sein Refugium von jenem Berliner Investor zurückzukaufen, der das Grundstück vor etwa einem Jahr erstanden hat. Mehr als 120 private Kreditgeber und Unterstützer haben sich zusammengetan, darunter die Musiker Samy Deluxe, Jan Delay, Y’akoto und Rocko Schamoni, die Bands Deichkind, Fünf Sterne Deluxe und Slime, Maler Daniel Richter, Autor Heinz Strunk, Filmemacher Fatih Akin, FC St. Pauli-Präsident Oke Göttlich und die Initiative Viva con Agua.

Viva La Bernie, Bernstorff 117, Bernstorffstraße, Hamburg, backyard, artists, concert, party, hiphop Das ist Hamburg für mich. Dieser Zusammenhalt. Diese Haltung. Dieser Glaube an einen Wert, der sich nicht in einer Summe von sieben Millionen Euro bemessen lässt. Ein Wert für das Seelenheil der Stadt. Für den sozialen Frieden. Für eine Balance zwischen Kaufmannsleben und Kunst.

Am Freitag hat „Viva La Bernie“ in seinen Hof geladen, um diesen Support zu feiern. Und als ich mit vielen anderen gegen halb sieben auf das kleine Gelände ströme, kann ich nicht anders als permanent zu denken: Das ist Hamburg.

Fettes Brot fragt: „Wo sind meine Leute da draußen“

Das ist Hamburg. Wenn Menschen jung und alt, schwarz, weiß und regenbogenbunt zusammenstehen, reden, trinken, lachen, sich umarmen. Kids haben sich mit knallgrünen „Viva La Bernie“-Aufklebern plakatiert. Leute eilen von der Arbeit herbei. Die coolen Hänger mit den schrägen Käppis schauen ganz freundlich. Zwei Graumelierte lehnen beim Rotwein an der Wand, die mit knallgrünen „Viva La Bernie“-Schriftzügen beklebt ist. Ein Banner weht im Wind. Eine entspannte Block-Party.

Das ist Hamburg. Wenn der Bass massiert. Wenn was passiert. Wenn die Rapper der Stadt von einer Brücke zwischen den Hofgebäuden ihre Reime in die Nacht werfen. Wenn Fettes Brot fragt: „Wo sind meine Leute da draußen“. Und wenn alle Leute da sind. Wenn der Hof voll ist. Und die Herzen noch voller. Wenn alle ihren Booty shaken. Und die Mundwinkel nicht mehr runterkommen. Wenn drei schwule Mädchen durch Hamburg gehen, dann bleibt keiner einen Augenblick lang ruhig stehen.

Die Energie, die an diesem Abend erzeugt wird, strahlt bis zum Mond

Das ist Hamburg. Wenn DJ Dynamite unseren Brustkorb pochen lässt. Und wenn D-Flame wie mit eingebautem Megaphon rappt: „Sorry, kein Bock auf deine Story“. Kein Bock auf ein Hamburg, das so sauber ist, dass ich die Schuhe ausziehen muss, wenn ich vor die Türe trete. Stattdessen sehr viel Bock auf Gängeviertel, Moloch, Viktoriakaserne, Golden Pudel Club, Zinnwerke und all die anderen freien Räume.

Viva La Bernie, Bernstorff 117, Bernstorffstraße, Hamburg, backyard, artists, concert, party, hiphop Das ist Hamburg. Wenn Samy Deluxe gemeinsam mit Jan Delay von den Beginnern den Hof beben lässt. Wenn ich kurz befürchte, die ausrastende Menge sorgt für den Abriss des Ganzen. Der Sound bratzt, die Worte treffen. „Ich und du und er und sie und es.“ Türlich türlich kommt da ein Weckruf nach dem anderen. Und eine Euphoriewelle nach der nächsten.

Das ist Hamburg. „Digger, ich bin nicht allein hier / Ich hab‘ meine Posse bei mir / Und es geht rampampam / Alle Lampen an!“ Das Soli-Bier ist längst ausverkauft. Hände in die Luft und wir springen, springen, springen. Die Energie, die an diesem Abend bei „Viva La Bernie“ erzeugt wird, strahlt bis zum Mond. Islands in the stream, this is what we are. Und die Insel namens Bernie, sie ist im Flow. Gut so. Bleib so.