Vertontes Tagebuch: Patrick Siegfried Zimmers Album „Memories I-X“

Ich freue mich immer, Patrick Siegfried Zimmer in Hamburg durch die Straßen gehen zu sehen. Das schwarze Haar gescheitelt. Der Blick tief und freundlich. Die Kleidung elegant und schlicht. Der Gang entschieden und ruhig. Ein aus der Zeit gefallener Mensch, dessen Erscheinen für mich stets kurz einen Effekt hat wie in manchen Filmen. Da verändert sich mit dem Eintreten einer Figur der Raum, das Tempo, die Wahrnehmung.

Wenn ich Patrick Siegfried Zimmer begegne, scheint die Welt kurz zu einem melancholischen Schwarz-Weiß-Film zu werden. Eine Geschichte, in der die Sinne sensibler eingestellt sind und die Herzen langsamer schlagen. Ein fein justiertes Innehalten. Auf der Moll-Seite des Lebens. Aber nicht ohne Humor.

Patrick Siegfried Zimmer, album, record, MEMORIES I-X, artwork Aufs Schönste verdichtet sich dieses Empfinden auf dem neuen Album „Memories I-X“, das Patrick Siegfried Zimmer diesen Freitag veröffentlicht. Viele kennen den stilbewussten Künstler noch unter seinem Pseudonym finn., unter dem er seit 2003 Musik machte. Doch für eine derart persönliche Platte wie die aktuelle soll offenbar ganz und gar der eigene Namen stehen.

Der Musiker, Designer und Filmemacher („Anhedonia“) öffnet uns sein musikalisches Tagebuch. Er erzählt uns zur Akustikgitarre, zu Streichern, Piano und Bläsern, zu Pfeifen und Glockenschlag von Liebe und Trauer, von Berührungen und Erinnerungen, von Ängsten und der Ewigkeit.

Schwermütige Walzer, brüchige Leichtigkeit

Im Vordergrund ist stets die Stimme von Patrick Siegfried Zimmer. Sie stellt eine warme Nähe her, wie es gute Chansonniers und Country-Sänger können. Die dunklen Kammern des Herzens werden zum Resonanzraum für diesen intensiven wie unaufdringlichen Gesang. Ob in einer geheimnisvollen und zugleich aufwühlenden Ballade wie „Sorrows“, die „Memories I-X“ eröffnet. Oder in einer zarten Lullaby-Nummer wie „Winds“, die den Reigen aus zehn Songs beschließt. Manche Lieder besitzen die Qualität eines schwermütigen Walzers, andere verströmen eine brüchige Leichtigkeit.

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Patrick Siegfried Zimmer, fotografiert von Caroline Polly Fox

Sehr gut gefällt mir, dass eine Nummer wie „Silhouette“ als sachtes Liebeslied daherkommt. Und dann bricht nach gut zwei Minuten ein kleiner beschwingter Shala-Lalala-Part ein. Unvorhergesehen wie unsere merkwürdige wunderschöne Existenz insgesamt.

Besonders spricht mich das Stück „Paris“ an. Vielleicht, weil ich dieser Tage gerade solch eine große Sehnsucht nach dieser Stadt verspüre. Vielleicht aber auch wegen des gospeligen und opulenten Charismas, das Patrick Siegfried Zimmer in diesem dunkel-tänzelnden Chanson versprüht.

Patrick Siegfried Zimmer plant Tagebuch-Projekt bis ins Alter

Für mich ist „Memories I-X“ der ideale Begleiter an einem Tag, an dem ich das erste Mal die Heizung angestellt und mir einen Kalender für das kommende Jahr gekauft habe. Die Tage kürzer, die Innenschau länger. Wir kühlen aus nach einem langen Sommer und müssen uns die Seele wärmen. Wir blicken auf das, was war, und ziehen daraus, was sein könnte. Und die Musik eröffnet uns diese Freiheit.

Mit seinem Werk hat sich Patrick Siegfried Zimmer übrigens einiges vorgenommen. Neun weitere Teile mit Tagebucheinträgen sollen folgen. Stets im Abstand von drei Jahren. Der Künstler wird also ein alter Mann werden. Und bei solch seliger Musik ein erfüllter zudem.

Patrick Siegfried Zimmer live in Hamburg:
Do 27.9., 18 Uhr, Schaufensterkonzert bei Michelle Records
Fr 28.9., 21 Uhr, Nachtasyl im Thalia Theater

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Mint Mind 
Tilman Rossmy

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