In der Hamburger Musikszene existieren diese Fixsterne. Menschen, die mit ausdauernder Energie in die Stadt, in ihre Clubs und Läden hinein leuchten. Als ich 1997 nach Hamburg zog, besaß Starlight Steven für mich schnell solch eine Strahlkraft.
Meistens samstags kaufte ich bei ihm und seinem Kollegen André im längst nicht mehr existenten Zardoz am Altonaer Bahnhof meine Schallplatten. Die beiden bildeten für mich in den ersten Monaten und Jahren so etwas wie ein Hamburger Empfangskomitee in Sachen Pop- und Subkultur. Freundlich lächelnd standen sie hinterm Tresen. Steven groß mit wilder Zappa-Mähne. André kleiner und mit braver gescheiteltem Haar.
Den beiden war ein Vinylmackertum, wie es mitunter in anderen Plattenläden herrschte, völlig fremd. Entspannt ließ sich mit ihnen über Neues, Altes und Rares reden. Die zwei ließen einen aber auch angenehm in Ruhe beim Rumgucken und Reinhören.
Ich erstand meistens eine der aktuellen Veröffentlichungen, von denen ich vorab in Musikzeitschriften gelesen hatte, sowie ein, zwei günstige Alben aus der Sparpreiskiste. Das war ein schöner kleiner Ausflug, auf den ich mich stets sehr freute. Und von dem ich mit dem Gefühl heimkehrte, nicht nur tolle Musik angeschafft, sondern mich auch mit der Stadt ein Stück weiter verbunden zu haben.
Die Party schwappte durch Rosi’s Bar
Starlight Steven begegneten wir zudem regelmäßig auf dem Kiez. Vorzugsweise in Rosi’s Bar. Wenn im Blauen Peter bereits das Licht anging und sich im Molotow die Tanzfläche allmählich leerte, ließ sich immer noch hervorragend in diesen angeplüschten Schuppen auf dem Hamburger Berg hineinstolpern. Durch Rosi’s schwappte gerne in den frühen Morgenstunden noch eine exaltierte Party, wenn Starlight Steven irres Rhythmisches von Funk bis Rock ’n‘ Roll auflegte. Wenn wir schon ein wenig aufgelöst von der Nacht in dieser winzigen Kaschemme strandeten, war es stets ein Gefühl von Nachhausekommen, wenn Starlight Steven an den Plattentellern wirkte und wirbelte.
Ich hatte im Laufe der Jahre aus den Augen verloren, was Starlight Steven nun eigentlich so macht. Bis mir eine Freundin erzählte, dass sie eine Sammlung mit Schellackplatten aus dem Nachlass ihres Großvaters an ihn verkauft habe.
So erfuhr ich von der Veranstaltung „Schellackträume“, die unregelmäßig im Café Roederer’s in Blankenese stattfindet. Ganz gesittet am Nachmittag. Mit Tischlämpchen, Kaffee und Kuchen. Das wollten wir uns ansehen.
Starlight Steven am Grammophon
Wir sind früh dran, begrüßen Starlight Steven und beobachten, wie er seine Kisten mit Schellackplatten abstellt und sein Equipment aufbaut. Auf einem Tisch mit hübscher Omadecke positioniert er ein altes Grammophon sowie einen Plattenspieler Modell Phillips 633, den er an einen Lautsprecher anschließt.
Vor allem das Grammophon erzeugt beim Abspielen der Schellackplatten ein derart warmes Knistern, dass sofort das eigene Kopfkino anspringt. Durch wie viele Hände und Generationen die Tonträger wohl schon gewandert sind? Welche Szenen sich zu ihrer Musik abgespielt haben mögen? Und welche historischen Ereignisse?
Die Schellackplatte, frühe Zeugin der Popularkultur, wurde Ende des 19. Jahrhunderts von Emil Berliner erfunden. Starlight Steven, der sich bei seinen Tanztees Sternenlicht Steven nennt, spielt vornehmlich Swing, Fox, Tango, Schlager und Unterhaltungsmusik von den 1920er- bis in die frühen 1950er-Jahre. Bis in jene Ära also, in der die Schellackplatten allmählich von Fabrikaten aus Vinyl abgelöst wurden.
Auf der Suche nach musikalischen Schätzen
Leider können wir nicht allzu lange bleiben. Aber Steven erzählt noch, dass seine Gäste später am Nachmittag auch anfangen würden zu tanzen. Und seine musikalische Bandbreite ist nach wie vor groß. Er legt immer mal wieder Psychedelic und 70ties-Tunes im Hafenbahnhof auf, das nächste Mal am 9. November. Und mit der Party „Flower Power Space Rock“ betreibt er im Molotow seit fast 30 Jahren Hamburgs am längsten laufende Clubreihe. Eine Zeitmaschine hinein in die Hippiedisco.
Ich bin immer äußerst fasziniert, wenn Menschen ihre Liebe zur Musik nicht nur konsequent leben, sondern auch der Entdeckergeist in Sachen Popkultur aktiv bleibt. Steven, der seit 2005 hauptberuflich als Tagesvater arbeitet, ist nach wie vor weiter auf der Suche nach musikalischen Schätzen, die er dann für uns alle zum Leuchten bringt. Schön ist das.