Der Sound der Stadt – Brüssel und das Botanique

Seit einigen Tagen bin ich nun schon in Brüssel, wo ich mich mit zwei lange vertrauten Freunden zu einem Arbeitswohnprojekt zusammengefunden habe. Matze beschäftigt sich auf passionierte wie sachkundige, aber keineswegs elitäre Weise mit Wein, Bier und gastronomischen Genüssen aller Art. Julia schreibt seit fast neun Jahren höchst leidenschaftlich, klug und beeindruckend umfassend über Naturkosmetik rund um den Globus. Auf ihren Blogs Chez Matze und Beautyjagd haben sie bereits über unser Vorhaben geschrieben. Es geht darum, Zeit miteinander zu verbringen, sich auszutauschen und zu inspirieren. Und neue Impulse zu erhalten. Das beginnt bereits bei unserer Unterkunft. 

Factory, Project, Brüssel, Brussels, music, sound, Blogger, LifestyleJulia hat für uns eine umgebaute Fabriketage gefunden. Unser Gastgeber arbeitet als Ausstatter am Theater, weshalb das industrielle Ambiente eine ungeheure Weite atmet und zugleich anregend eingerichtet ist. Jeden Tag entdecken wir neue Details, die in die Wahrnehmung unserer Tage einfließen. Zeichnungen an den Wänden, Kunstbücher, kleine Skulpturen. 

Musikalische Spurensuche in Brüssel

Was mich besonders fasziniert: Solch ein Ort hat seinen ganz eigenen Sound. Und das ist in unserem Fall ganz wortwörtlich zu verstehen. Denn nicht nur das Plätschern in den frei liegenden Rohren oder das Quietschen der Türen birgt einen individuellen Klang. In der Etage unter uns probt ein Jazztrio. Und vor allem der Bass sorgt für eine angenehme rhythmische Grundierung. Ich überlege noch, ob ich mal hinunter gehe und frage, ob ich der Probe ein wenig beiwohnen darf. Oder ob ich einfach mein Kopfkino weiterlaufen lasse und mir ausmale, wer da unter uns wohl so musiziert. 

Factory, Project, Brüssel, Brussels, music, sound, Blogger, Lifestyle, Jazz, TrioVor zwei Tagen ist das Trio offenbar zu einem Auftritt aufgebrochen, weshalb der Eingang voller Instrumente lag. Wo haben sie wohl gespielt? Und wie heißt die Band überhaupt? Ich mag so eine Spurensuche sehr. Wenn sich reale Hinweise mit meiner Imagination vermischen. 

Überhaupt ist Brüssel mit seinem Mix aus Menschen und Einflüssen ein hervorragender Ort, um sich treiben zu lassen. Um an allen Ecken und Enden Impulse zu finden. Auch und vor allem in musikalischer Hinsicht. Ich habe mir vorgenommen, an dieser Stelle noch über einige der Clubs, Plattenläden und popkulturellen Orte zu schreiben, die ich bei meinen Spaziergängen durch die Stadt entdecke. Eine erste Konzert-Location habe ich bereits ganz konkret besucht. 

Der Konzertsaal in der Nachbarschaft: Botanique

Brüssel, Music, Clubs, Popculture, Botanique, Concerts, Alice Merton, PopIn unmittelbarer Nachbarschaft zu unserer belgischen Factory liegt auf der Grenze zwischen den Stadtteilen Saint-Josse-ten-Noode und Schaerbeek das Botanique, auf Niederländisch Kruidtuin. Das Gebäude stammt aus dem 19. Jahrhundert und diente dem umliegenden botanischen Garten einst als Orangerie. Das Thema Gewächshaus greift das Botanique, das seit 1984 ein Veranstaltungsort ist, charmant im Innern auf.

Brüssel, Music, Clubs, Popculture, Botanique, Concerts, Alice Merton, Pop Brüssel, Brussels, Music, Clubs, Popculture, Botanique, Concerts, Elliott Smith, Walk of fame Nach Einlass und Garderobe wandeln die Ankömmlinge zunächst im Halbkreis um die markante Rotunde des Gebäudes herum. Pflanzen ranken über den Köpfen. Und zu den Füßen blühen die Künstler, die bereits im Botanique gespielt haben. Elliott Smith, Oasis, Cat Power — in Umrissen von Blüten stehen Namen und Daten ihrer Auftritte. Ein Flowerwalk of Fame. Schön. 

Mit dieser feinen Einstimmung gelangen die Gäste zu den eigentlichen Spielorten. Zu der 700 Leute fassenden Orangerie, der Rotonde für maximal 250 Personen, der im Keller liegenden Witloof Bar für 200 Menschen sowie einem Café, dem Bota, mit einer Bar für die Getränkeversorgung. Was mir das freundliche Tresenpersonal bei der Bestellung erst erklären muss: Die Bezahlung funktioniert nicht mit Bargeld, sondern mit Tokens — kleinen Silbermünzen, die es an eigens aufgehängten Automaten zu erstehen gilt. „Irgendwie doof für die Barleute wegen des Trinkgelds“, dachte ich noch bei mir, kaufte einen Token und bemerkte erst im Nachhinein, dass der Automat kein Rückgeld gibt. So gerät alles dann doch wieder in Balance. 

Popkulturelle Querverbindungen nach Hamburg

Brüssel, Music, Clubs, Popculture, Botanique, Concerts, Alice Merton, PopIn der Rotonde spielt an diesem Abend Montevideo, eine Band aus Brüssel, ein Hybrid aus Indierock und Electropop. Ich biege jedoch in die Orangerie ab, um Alice Merton zu sehen. Eine junge Künstlerin aus Deutschland, die ich auf mehreren Ebenen spannend finde. Zum einen produziert sie Pop im allerbesten Sinne. Zum anderen steht sie mit ihrer selbst gegründeten Plattenfirma Paper Plane Records für Eigenständigkeit und Selbstverantwortung. 

Vor allem aber verkörpert Alice Merton eine große Internationalität. Die heute 25-Jährige ist in den USA sowie in Kanada aufgewachsen und lebt mittlerweile in Berlin. Aus den vielen Umzügen in ihrer Kindheit und Jugend resultiert auch ihr Hit „No Roots“, in dem sie über den Zustand des Nomadentums singt. Und auch ihre Bandmitglieder kommen aus verschiedenen Ländern, der Drummer aus Frankreich, der Gitarrist aus den USA und der Keyboarder aus Deutschland. 

Brüssel, Music, Clubs, Popculture, Botanique, Concerts, Alice Merton, PopDas erste Mal live erlebt habe ich Alice Merton 2017 auf dem Reeperbahn Festival, wo sie für den Anchor Award für aufstrebende Poptalente nominiert war. Nun hat mich die Hamburger Agentur Community Promotion, die die Kommunikation um Alice Merton im deutschsprachigen Raum betreut, netter Weise hier in Brüssel auf die Gästeliste des Konzerts setzen lassen. Mir gefällt der Gedanke sehr gut, dass alles miteinander verbunden ist. Das Orte jeweils unbedingt anders und eigen sind, jedoch viele Fäden zwischen ihnen geknüpft werden. 

Alice Merton, die lebende Discokugel

Die Orangerie ist ein äußerst dankbarer Saal für Artists und Publikum, denn der Raum erstreckt sich entlang einer breiten Bühne. So entsteht schnell ein Gefühl von Nähe. Alice Merton präsentiert mit natürlicher Grandezza (und trotz Erkältung) Songs ihres Debütalbums „Mint“. Ihre Musik besitzt eine kraftvolle Leichtigkeit, getragen von Alice Mertons Stimme, die sie dunkel kehlig gerappt einsetzt und bis in einen dramatischen Sopran changieren lassen kann. „Honeymoon Heartbreak“, eine der wenigen Balladen, erinnert an eine geringer entschleunigte Lana Del Rey. Bei einem munteren wie komplex arrangierten Song wie „Funny Business“ muss ich kurz an eine tolle Künstlerin wie Lilly Allen denken. 

Brüssel, Music, Clubs, Popculture, Botanique, Concerts, Alice Merton, Pop, Album, MintIhre Songs handeln weniger von Liebe, sondern vielmehr von ihrer persönlichen Entwicklung in den vergangenen Jahren, erzählt Alice Merton. Und diese coole und durchaus feminine Stärke spiegelt sich auch in ihrem Outfit. Ihr schwarzer Catsuit ist mit einer mint-farbenen transparenten Schleppe versehen. Und mit Spiegelsteinen rund um die Taille, so dass Alice Merton je nach Lichteinfall zur lebenden Discokugel wird. 

Aufgrund ihrer Erkältung könne sie nicht so sehr umherhüpfen wie sonst, erklärt Alice Merton dann noch. Ich fühle mich jedoch gut aufgeladen nach meinem ersten Konzertbesuch hier in Brüssel und laufe beschwingt die wenigen Meter durch die Nacht nachhause. Zu unserer Fabriketage mit ihrem ganz eigenen Sound. 

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