Welchen Stellenwert hat Kultur dieser Tage? Systemrelevant oder eher seelenrelevant? Für mich lassen sich die Impulse, die von Kunst im Allgemeinen und von Popkultur im Besonderen ausgehen, nicht einfach kategorisieren. Dafür werden die Sinne durch Sound, Lyrics und Performance viel zu komplex angesprochen. Fest steht für mich aber: Es bestehen starke Wechselwirkungen zwischen Musik und Mensch. Nicht nur auf ganz persönlicher, sondern vor allem auch auf sozialer Ebene. Gerade während der Corona-Krise ist die Bedeutung von Kultur für den gesellschaftlichen Zusammenhalt stark diskutiert worden. Was macht die Pandemie mit unserem kollektiven Empfinden? Wie sehr gewöhnen wir uns an Home-Entertainment? Brauchen wir gemeinsame Live-Erlebnisse? Und welche Rolle spielt Musik generell in einer Zeit, in der Konzerte gar nicht oder nur äußerst eingeschränkt möglich sind? Diese Fragen haben mich zu einer Artikel-Reihe angeregt, die ich in den kommenden Wochen auf meinem Blog realisieren will.
Was sehen die Musiker*innen als ihren Beitrag zum sozialen Miteinander?
Unter dem Titel „Mein Beitrag“ möchte ich junge Popkünstler*innen und ihre Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen in den Fokus nehmen. Vor allem dem musikalischen Nachwuchs fehlen durch die Pandemie wichtige Monate und mittlerweile Jahre, um die eigene künstlerische Laufbahn im direkten Austausch mit dem Publikum intensiv und regelmäßig weiterzuentwickeln. Hinzu kommen Debatten, die Livemusik nur noch als Lärm oder Luxus polemisieren. Und gleichzeitig ist da trotz all der Erschöpfung noch Energie, ein Wunsch nach Weitermachen, Rauslassen und Gestalten. Ich sehe (und höre) in den sozialen Medien, in Newslettern und Playlisten, wie viel schöne, schräge, kluge und catchy Musik derzeit gerade von Newcomer*innen veröffentlicht wird. Songs, die uns Sinn und Sinnlichkeit spüren lassen, statt stumpfen Stolz und Vorurteil.
Diese ganze Gemengelage hat mich dazu inspiriert, für meine Artikel-Reihe nun genauer nachzufragen: Welche lokalen bis globalen Themen fließen — bewusst oder subtil — in die eigenen Songs ein? Welche Ideen, Anliegen und Haltungen liegen der Kunst zugrunde? Was sehen die Popkünstler*innen als ihren Beitrag zum gesellschaftlichen Miteinander? Und welches Feedback erhalten sie?
Von textlichem Engagement bis zu künstlerischen Leerstellen
Wichtig ist mir bei meiner Artikel-Reihe, dass der Ansatz ein offener ist. Sprich: Pop in all seinen Spielarten lässt sich nicht simpel funktionalisieren. Im Sinne von: hier der Song, da der (erbauliche) Effekt. Dafür ist der Prozess des Songwritings zu vielschichtig, zu magisch. Manche verfolgen eine klare Agenda, texten zum Beispiel feministisch oder kapitalismuskritisch und loten ihr Verhältnis zu Begriffen wie Heimat, Herkunft und Identität aus. Bei anderen geht es eher darum, seismographisch Stimmungen aufzunehmen, Leerstellen zu benennen und sich durch Rätselhaftigkeit einer direkten Interpretation zu entziehen. Auch das bedeutet für mich: gesellschaftliche Auseinandersetzung. Also dass uns Musik die Unfassbarkeit und Merkwürdigkeit der Welt vor Augen führt. Dass das Innere das Äußere widerspiegelt. Dass das Private politisch ist. Und umgekehrt.
„Mein Beitrag“ — je nach Ausrichtung und Genre definieren Künstler*innen also ganz unterschiedlich, wie sie ihre Umwelt mitprägen. Die Anregungen, die ihre Musik für unser Zusammenleben bietet, sind entsprechend vielfältig: konstruktiv, verstörend, poetisch, reflektierend, tröstend, sensibilisierend, kontrovers, empowernd.
Artikel-Reihe unterstützt von „Neustart Kultur“
Ich bin sehr gespannt darauf, mit ganz verschiedenen Musiker*innen zu sprechen und herauszufinden, was sie als ihren Beitrag verstehen. Meine Auswahl reicht dabei von Indie bis Hip-Hop, von Post-Punk bis Singer-Songwriter-Sound und weiter zu Electro und Experimentellem. Zudem freue ich mich sehr darüber, dass ich diese Artikel-Reihe unterstützt von einem Stipendienprogramm umsetzen kann — aufgelegt von der Verwertungsgesellschaft VG Wort und realisiert im Rahmen des „Neustart Kultur“-Programms der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Gefördert werden da Autor*innen sowie Journalist*innen, die im Kulturbereich tätig sind. Vielen herzlichen Dank für den Support. Denn abgesehen von einigen wenigen Sponsored Posts betreibe ich diesen Blog über Popkultur seit August 2018 als nicht-kommerzielles Projekt. Und ich hoffe sehr, dass ich mit meinen Texten vermitteln kann, wie viele tolle, sprengkräftige, zarte, absurde und beglückende Musik existiert.